aus bma 01/06
von Stefan Stejskal
Nach 10 Jahren und weit über 100.000 Kilometern auf einer Yamaha XS 850 schien mir 1999 die Zeit gekommen, nach etwas neuerem und vor allem handlicherem Ausschau zu halten. Aufrechte Sitzposition, Drehmoment von unten und geringen Spritverbrauch war ich von der XS gewohnt, und auch die Neue sollte diese Eigenschaften mitbringen. Da ich bereits öfter mit Bikes der Gattung Reiseenduro geliebäugelt hatte, diese mir aber entweder etwas untermotorisiert (Africa Twin) oder aber zu teuer (GS) waren, fiel mein Augenmerk auf die Yamaha TDM 850.
Die Privatanzeige im bma, eine knapp neun Monate alte TDM mit 5.000 Kilometern für einen „Winterpreis” zu erstehen, war dann verlockend genug, an einem kalten Januartag eine Probefahrt mit dem Verkäufer zu vereinbaren. Die Maschine gefiel mir auf Anhieb, und wir wurden uns sofort handelseinig.
Allerdings hat die TDM mit der anfangs erwähnten Reiseenduro wenig gemein. Schotterpisten oder gar ein Ausflug ins Gelände sind durch die kurzen Federwege und die Straßenbereifung nicht das Terrain der TDM. Ansonsten läßt sich mit der Maschine aber jeder Straßenbelag unter die Räder nehmen. Die voll einstellbaren Federelemente sowie das stabile Fahrwerk sorgen dafür, daß dem Zustand der Straße keinerlei Beachtung geschenkt werden muß. Bodenwellen, Flickwerk und Schlaglöcher gleich welcher Art werden von der TDM mit der Leichtigkeit eines Luftkissenbootes weggesteckt. Einziger Schwachpunkt ist vielleicht die serienmäßige Bereifung mit Michelin Macadam 90X. Sie halten zwar bei normaler Fahrweise ausreichend Kontakt zur Fahrbahn, bei flotter Gangart oder bei Regen lassen sie jedoch ein ausreichendes Gefühl der Sicherheit vermissen. Die Paarung ME Z4 von Metzler bieten zumindest auf nasser Fahrbahn deutlich mehr Grip. Als Reifen der Wahl erwiesen sich die von Bridgestone angebotenen BT 020. Sie verfügen in jeder Situation über ausreichend Haftung und halten je nach Fahrweise zwischen 7.000 und 12.000 Kilometer.
Der Motor beeindruckt mit spontaner Gasannahme, bärigem Drehmoment und einem geringen Verbrauch. Die bereitgestellten 82 PS reichen aus, um so manchem Sportler das Leben auf Berg- und Landstraßen schwer zu machen. Zumal das Getriebe – bis auf den ersten Gang – gut übersetzt und exakt zu schalten ist; auch wenn es kraftvoll geschaltet werden will. Ausreichend Leistung steht bereits ab 3.000 U/min zur Verfügung und wird ab dieser Marke mit nahezu gleichbleibender Kraft abgegeben. Spürbare Leistungslöcher unbekannt. An die von der TDM bekannten Lastwechselreaktionen hat man sich schnell gewöhnt, und sie sind im Fahralltag nicht weiter störend. Lediglich in Kurven sollte nicht unnötig mit dem Gas gespielt werden, dann versaut es einem die Ideallinie. Wird die Maschine auf Zug gehalten, lassen sich Kurven jeden Radius – auch dank der schmalen Bereifung – spielerisch durchfahren. Der Schräglagenfreiheit sind dabei kaum Grenzen gesetzt, auch wenn es bei sportlicher Fahrweise vorkommen kann, daß die Fußraste einmal den Kontakt zur Fahrbahn sucht.
Zum Thema Bremsen gibt es wenig zu berichten. Sie stammen aus der vergangenen Sportlergeneration von Yamaha und verzögern die TDM völlig ausreichend. Das Aufstellmoment in Kurven kann als gering bezeichnet werden.
Positive Merkmale der Ausstattung sind die zwei Tageskilometerzähler, die Zeituhr, eine Benzinuhr sowie die serienmäßige Warnblinkanlage. Gute Befestigungsmöglichkeiten für die Gepäckrolle sind vorhanden, und für den Zweipersonenbetrieb und Fahrten mit Gepäck kann durch Umlenkung eines Hebels unter der Sitzbank die Federung auf „Hart” gestellt werden.
Völlig unverständlich ist mir die fehlende Ölkontrollleuchte, zumal sich die Ölstandskontrolle aufgrund der Plazierung des Schauglases und des fehlenden Hauptständers nur mit zwei Personen ordentlich durchführen läßt. Ähnlich umständlich verhält es sich mit der Kettenschmie- rung. Lobenswerterweise ist eine hochwertige Kette verbaut, die bei mir 35.000 Kilometer gehalten hat.
Die Verkleidung sorgt für ausreichend Windschutz, allerdings sind bei einer Körpergröße von 180 cm die Windgeräusche am Helm zu laut. Verkleidungsscheiben aus dem Zubehör schaffen hier auch keine wesentliche Besserung. Ich habe daraufhin eine MRA-Spoilerscheibe weiter abgeschnitten, so daß der Helm jetzt frei im Wind liegt und die Geräusche erträglich bleiben. Angenehm ist die aufrechte Sitzposition auf der gut gepolsterten Sitzbank, die auch lange Etappen nicht zur Qual werden läßt. Die Etappen können übrigens durch den 21 Liter-Tank und den sehr geringen Verbrauch von durchschnittlich 5 Liter Normalbenzin großzügig geplant werden. Meine Verbrauchswerte liegen zwischen 3,8 und 5,8 Liter/100 km. Die 6 Liter zu überschreiten halte ich, auch bei sehr zügiger Fahrweise, für fast unmöglich.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die TDM ein gelungener Allrounder ist, den ich mir wegen der guten Verarbeitung, der positiven Fahreigenschaften und der geringen Unterhaltskosten jederzeit wieder kaufen würde.
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