aus bma 10/00
von Ralf Appel
Wie kommt man zu einer Yamaha XS 650? Nach meinen Erfahrungen, die ich seit 1985 mit Einzylindern (Honda FT 500), V-Zweizylindern (Yamaha XV 750) und Reihenvierzylindern (XJ 900) gemacht hatte, suchte ich ein anderes schönes Motorrad.
Meine Zeit der Touren und Motorradurlaube ist nun dank fester Lebensgefährtin – jetzt die beste Ehefrau von allen – erstmal vorbei. Deshalb suchte ich etwas ohne Plastik – keine Verkleidung, möglichst viel Chrom und einen schönen Motor sollte sie haben (meine Vorstellungen waren wohl noch von den Motorrad-Zeitschriften meines älteren Bruders aus den 70er Jahren nachhaltig geprägt).
Mit dem guten Verkauf meiner XJ 900 war Bargeld ausreichend vorhanden. Also ging die Suche los! Fündig wurde ich bei Twin’s Inn in Oberlehte bei Oldenburg. Eine prima XS 650, amerikanische Spezial-Ausführung, schwarz und viel Chrom, Baujahr 1979, aber original nur 9500 Meilen gelaufen. Das Moped muss jahrelang kaum bewegt worden sein. Mit TÜV und deutschem Kfz-Brief neu angemeldet, habe ich nach ausgiebiger Probefahrt zugeschlagen. Es war „Motorrad-Liebe” auf den ersten Blick!
Sie ist ein puristisches, klassisches Stück mit allem, was ein Motorrad braucht. Der Motor, ein Parallel-Twin, Zweizylinder-Viertakt, zwei Ventile, luftgekühlt, leistet gute 50 PS bei 7000 U/min. Sie besitzt einen Doppelrohrstahlrahmen, eine Bremsscheibe je vorn und hinten, der Sekundärantrieb erfolgt über O-Ring Kette. Die Verarbeitung: bewährte Yamaha-Qualität, der schöne Chrom ist auch nach gut 20 Jahren noch sehenswert. Alles ist noch aus Metall gearbeitet, kein chromfarbenes Plastik wie bei mancher der neueren Yamaha Virago. Dafür ist sie aber auch trotz schlanker Bauweise kein Leichtgewicht; ihr Leergewicht beträgt 225 Kilo. Laut Fahrzeugbrief sind 220 kg Zuladung erlaubt, einige „Tourer” von heute würden sich die wünschen, denn 180 bis 185 kg sind mit zwei Personen und Gepäck schnell erreicht.
Doch es gibt natürlich auch Schwachpunkte; Fahrwerk und Bremsen sind nun einmal technisch aus den 70er Jahren. Sportlicher Fahrweise werden schnell die Grenzen gezeigt. Die Verzögerung bei Zwei-Personen-Betrieb mit höherer Geschwindigkeit ist mäßig. Eine zweite Scheibe vorne (wie bei der Straßenversion) könnte hilfreich sein. Der Geradeauslauf ist gut, wie gemacht für amerikanische Highways, aber schnelles Kurvenräubern auf der Landstraße lässt man lieber sein. Bei Geschwindigkeiten über 140/150 km/h wird das Fahrwerk bei schlechtem Straßenbelag leicht unruhig – die Federung ist überfordert.
Für mich überwiegen die Stärken jedoch ganz klar. Ein Drehmoment von knapp 60 Nm und eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in circa 5,5 Sekunden reißt zwar keinen „Sportfahrer” vom Hocker, aber die Kraft kommt von unten, ab 2500 Touren steht bereits gut Drehmoment zur Verfügung, und ab 4000 U/min erfolgt vehementer Vortrieb in jedem Gang. Bis zum roten Bereich (7500 U/min) braucht man nie zu drehen, was ich der „älteren Lady” sowieso nicht antun mag. Und der Sound, den die Original-Auspuffanlage entwickelt, ist für viele Cruiser/Chopper heutzutage nur noch mit Tüten ohne ABE zu erreichen. Ende der 70er Jahre war der Lärmpegel für Motorräder halt noch toleranter ausgelegt als heute.
Zur Typengeschichte: Die XS 650 wurde von Yamaha 1969 in der ersten Serie damals als „Triumph-Bonneville-Killer” herausgebracht. Eine zweite verbesserte Ausführung war ab 1975 auf dem Markt. Dabei hatte ein ehemaliger Triumph-Versuchs- und Rennfahrer seine zwanzigjährige Erfahrung zur Verfügung gestellt. Deshalb ist die englisch-klassische Linienführung klar erkennbar, besonders bei der normalen Straßenversion. Der Niedergang der englischen Dampfhämmer Anfang der Siebziger hat so ein bis heute sichtbares Comeback erhalten. Meine US-Special wurde in Amerika 1977-1979 gebaut, die letzten XS 650 wurden in Europa bis 1984 ausgeliefert.
Bei Ausritten in der Stadt sehe ich oft die Augen älterer Herren begeistert aufblitzen und neugierig schauen, wenn ich vorbeifahre. Häufiger werde ich beim Anhalten von Männern mittleren Alters angesprochen, die mir versichern, sie hätten früher „auch so eine” (oder wahrscheinlich eine ähnliche) gehabt; was viele von ihnen heute bedauern, weil es doch „ein gutes Motorrad” gewesen ist.
Da meine gute Yamaha bei circa 65.000 km Laufleistung nach gut 18 Jahren (davon sieben Jahre mit mir) nicht mehr vernünftig lief, war eine Motorradüberholung fällig, welche von der Firma Claus Schultz in Loxstedt durchgeführt wurde. Mit neuen Kolben, neuer Steuerkette, komplett neuem Dichtungssatz, instandgesetztem Zylinderkopf sowie Nockenwellenlagern und neuer Kupplung läuft der Motor nun wieder prima! Die Arbeit war sehr gut gemacht, die gut 2000 DM waren es wirklich wert!
Fast alle anderen Wartungs- und Inspektionsarbeiten habe ich bisher selber durchgeführt. Und die „Good Vibrations“ des Motors sorgen manchmal schon dafür, dass sich Teile losrütteln oder kaputtvibrieren: Spiegel, Griffe, Sicherungen, Glühbirnen, Tacho und Nummernschild. Bis auf die komplette Auspuffanlage (was mir der Onkel vom TÜV im Sommer 1997 zwingend empfahl – beide Endrohre schepperten ordentlich) habe ich sonst nur Verschleißteile wechseln müssen. Ersatzteile kann einem der freundliche Yamaha-Händler noch alle original besorgen, auch wenn es manchmal etwas dauert. Ansonsten steht einem der XS 650-Laden in Stuttgart mit Rat und Tat zur Seite. Viele Kleinteile wie Züge, Griffe, Bremsbeläge, Spiegel oder Kette bekommt man im Zubehör bei Firma Hein Gericke oder Louis.
Der Motor kann, da es sich um die amerikanische Version handelt, problemlos mit bleifreiem Benzin gefüttert werden. Als Öl nehme ich SAE 20-W40, das ist etwas dickflüssiger, aber besser. Dank Kickstarter habe ich auch bei Frost keine Startprobleme, ich fahre auch im Winter häufiger. Bei Reifen haben sich Metzeler ME 33 und 99 bewährt.
Am meisten Spaß macht mir das Fahren auf der Landstraße, da fühlt sich meine Yamaha wohl. Nach der Ortschaft im dritten Gang beschleunigen, vierter, fünfter Gang rein und ruhig (bei 100 km/h und 2800 U/min) die Landschaft passieren lassen; zum zügigeren Überholen kann man dann wieder in den vierten Gang schalten. Längere Autobahnfahrten werden mit dem hohen Lenker und ohne Verkleidung anstrengend, falls man mit mehr als 130 km/h unterwegs ist! Der Verbrauch bewegt sich zwischen vier und 5,5 Litern/100 km. Über die schöne Jahreszeit von Mai bis Oktober fährt meine Frau übrigens begeistert mit; im Winter bin ich dann solo unterwegs.
Vielleicht trifft man sich ja mal auf ein Benzingespräch!
—
Kommentare
Ein Kommentar zu “Yamaha XS 650 SE (Bj. 1979)”
Für wie viel meinst du könnte man diese Motorrad den heute noch verkaufen?
Gruß Patrick 🙂