aus bma 02/08
von Jens Rademaker
Das gemütliche Tuckern durch unsere norddeutschen Gefilde läßt sich immer noch am besten mit einem Cruiser bewerkstelligen. Zwischen den Feldern dahingleiten und sich den Wind um die Nase wehen lassen, was will das Herz mehr?
Wer die goldene Mitte sucht, zumindest wenn es um Cruiser von Yamaha geht, der wird unweigerlich auf die XVS 1300 Midnight Star stoßen. Die große Alternative wäre die XVS 1900 Midnight Star, die kleine etwa die 1100er Dragstar. Preislich wie auch technisch findet sich die 1300er zwischen diesen Elementen.
Der neue Motor, den die Techniker eigens für die „kleine” Midnight Star entwickelt haben, ist schon ein Genuß an sich. Im Vergleich zu dem 63 PS starken V2-Motor der Dragstar und den 1853 ccm der XVS 1900 mit seinen 90 PS, unterscheidet sich das Herz der 1300 Midnight Star nicht nur einfach durch die Motorleistung (immerhin 73 PS), sondern vor allem dadurch, daß dieses Aggregat nicht mehr nur luftgekühlt, sondern jetzt flüssigkeitsgekühlt ist. Hinter den obligatorischen Kühlrippen verlaufen die Kühlleitungen zum Flüssigkeitskühler, der sich zwischen den Rahmenrohren versteckt.
Der erste Eindruck, den die Midnight Star hinterläßt, verspricht Gemütlichkeit. Dem Auge schmeichelt hier nicht nur die großzügig ausgefallene Sitzmulde, ähnlich dem Fernsehsessels daheim, sondern noch ein paar kleine Leckerbissen. So paßt der schwarz beschichtete Motor hervorragend zu der ebenso gestalteten Schwinge und dem Rahmen. Den Tank hingegen ziert nicht, wie erwartet, ein dicker Yamaha-Schriftzug, sondern ein dezentes, verspieltes Logo. Das mächtige Abgasrohr mit dem 3-Wege-Katalysator paßt dabei prima ins Bild eines Alltagscruisers. Die großen Trittbretter künden allerdings beim Ansehen schon von Kratzgeräuschen in vielen Kurven. Die wuchtige, 41 mm messende Telegabel und die niedrige Bauweise erinnern mehr an einen Schwergewichtschopper als an ein Mittelgewicht in der Cruiserklasse.
Also, aufgesattelt und ab dafür… Ruhig startet die Maschinerie auf Knopfdruck und nimmt ihre Arbeit auf. Das Getriebe quittiert jeden Schaltvorgang mit einem dezentem „Klong”. Der Durchzug des 1304 ccm Vau-Zwo fällt angenehm weich und trotzdem dynamisch aus. Zwischen 2500 und 5000 Touren fühlt sich der spritzige Cruiser am wohlsten (sein Pilot ebenso). Der Radstand von 1690 mm gibt die optimalen Strecken vor: Landstraßen mit laaaaangen Kurven. Doch auch in kürzeren Kurvenkombinationen überrascht die Midnight Star mit Agilität und leichtem Handling, was man ihr gar nicht zugetraut hätte. Das Schwingen durch die Landschaft erfüllt des Schreibers Seele.
Im ersten Kreisverkehr zeigt sich dann endlich auch mal ein dunkler Fleck in der bis dahin so reinen Midnight-Akte: Daß die Trittbretter bei Bodenkontakt (kommt sogar schon beim Abbiegen an der Kreuzung vor) lautstark vor Schräglage warnen und dabei hochklappen, um das Aushebeln zu vermeiden, ist ja normal, aber daß dann ein festmontierter Dorn am Rahmen für genau dieses Aushebeln sorgt, irritiert schon sehr. Was soll das denn? Schleifspuren am Rahmen oder an der Auspuffanlage sind zwar sehr häßlich und auch unerwünscht, aber da gibt es doch andere Lösungen. Kleine Unebenheiten in der Fahrbahnoberfläche, in die sich der Dorn verbeißen kann, sorgen für kleine Hopser der ganzen Fuhre. (An dieser Stelle sei gesagt, daß der Schreiber sich so ausführlich mit diesem negativen Punkt beschäftigt hat, damit er wenigstens einmal richtig meckern konnte!).
Das Fahrwerk und die Federelemente sind eine Klasse für sich. Die Stabilität gerät niemals in Gefahr, und die Linie wird niemals verpaßt (Mal abgesehen vom „Trittbrett-Nupsi”). Sicher und satt liegt der Cruiser in jeder Kurve und folgt den Anweisungen seines Herren (oder auch Herrin). Die Federung bügelt alles glatt, was sich ihr entgegenwirft… Gemütlichkeit eben. Der bekannt wartungsarme und saubere Zahnriemenantrieb leitet die Kraft frei jeder Lastwechselreaktion an das Hinterrad weiter. Wie bei Harley-Davidson arbeiten die Pleul auf einem Hubzapfen (fördert das Pulsieren) und je eine Ausgleichswelle vor und hinter der Kurbelwelle (sorget für ruhigen Lauf ohne störende Vibrationen).
Der Sitz ist eine Wucht. Wahrscheinlich würde man nach einer Vier- Stunden-Etappe als einziger mit entspanntem Gesäß und ohne Ziehen im Rücken vom Motorrad steigen und sich über die Mitfahrer amüsieren, die sich erst mal ausgiebig strecken müssen. Der Pilot der XVS 1300 Midnight Star muß lediglich seine Hände etwas massieren, da die beiden Hebel je eine beherzte Hand benötigen, um die gewünschten Reaktionen hervorzurufen.
Ha, noch ein Nachteil: Längere Touren mit Gepäck! Hier muß man sich schon was einfallen lassen, denn eine Möglichkeit kleines oder großes Gepäck unterzubringen ist eigentlich nicht vorhanden. Keine Haken oder Ösen zum Festzurren zu finden. Doch dafür gibt es ja bekanntermaßen andere Alternativen, wie z.B. Satteltaschen. Unsere Lösung war hier der Nummerschildhalter inklusive Blinker, der als Befestigung für den Rucksack herhalten mußte.
Noch ein paar Zahlen: Der 18,5 Liter fassende Tank bietet eine Reichweite von etwa 280 Kilometer; mit einem Trockengewicht von 303 Kilogramm gehört die Midnighty nicht unbedingt zu den Fliegengewichten; nach der Erstinpektion muß man nur noch alle 12000 Kilometer zum Service (Beispielhaft); das Drehmoment von 106 Nm liegt bei 4000 U/min an; Die Sitzhöhe beträgt 715mm und reicht auch bei kürzeren Beinen, um immer Bodenkontakt zu haben; die Federwege betragen vorne 135 mm und hinten 110 mm; bei einem Preis von 10.792 Euro ist der Mittelfeldplatz auf jeden Fall gesichert.
Fazit: Die XVS 1300 Midnight Star ist ein Cruiser, der den Geldbeutel nicht allzu stark beansprucht und trotzdem alles liefert, was man zum Genießen braucht. Bequemes Touren und ruhiges Dahingleiten sind die Attribute, die ihren Besitzer charakterisieren. Aber auch Geschwindigkeiten jenseits der 150 km/h sind machbar ohne wirklich anstrengend zu sein, aber wer will das mit einem solchen Spaßgerät schon? Keep on cruisin’.
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Kommentare
2 Kommentare zu “Yamaha XVS 1300 Midnight Star (Mod. 2008)”
Ganz genau so empfinde ich das auch.
Die Übersetzung ist für gemütliches Dahingleiten
eine Zumutung.
Das kann meine FZS 1000 Fazer um Längen
besser.
zum Fahrbericht Yamaha XVS 1300A
Seit knapp zwei Monaten und 4500km fahre ich den Cruiser. Ein großer Nachteil des Gefährts ist die geringe Elastizität der Gänge. Man ist ständig dabei rauf oder runter zu schalten. Den fünften Gang kann man erst ab 100km/h einlegen. Der erste Gang geht gefühlt nur gut zwischen 0 und 30, der zweite zwischen 30 und 50, der dritte zwischen 50 und 70, der vierte zwischen 70 und 90 km/h. Von anderen Modellen und Fabrikaten kenne ich es so, dass man den vierten oder fünfen Gang einlegt und dann schaltfaul zwischen 50 und 150km/h fahren kann. Kommt man mit der XVS nur knapp unter die oben beschriebenen Schaltpunkte, dann ruckt und schlägt es im Getriebe, dass man Angst um den Erhalt der Schalbox hat. Der Fahrbericht oben entspricht in den anderen Punkten dem eigenen Empfinden.