
aus bma 9/11 – Rechtstipp
von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de
Es gibt in letzter Zeit immer wieder in unseren Gazetten zu lesen, dass Teilnehmer des Straßenverkehrs mit hohen Promillewerten erwischt werden. Da ist die Rede von Werten die teilweise 3,0 und auch 4,0 Promille übersteigen. Unglaubliche Werte, die bei jedem Normalsterblichen sicherlich zum Tode geführt hätten. Die Chance, nach so einer Tat in absehbarer wieder am Straßenverkehr teilnehmen zu können, ist sehr gering. Es ist mit Sperrfristen von mindestens 12 Monaten zu rechnen und zudem muss eine Medizinisch Psychologische Untersuchung erfolgreich absolviert werden, um die Fahrerlaubnis wieder zu erlangen.
Vermehrt werden die Vollkaskoversicherungen nach einem solchen Delikt mit einem Schaden am Fahrzeug in Anspruch genommen. Nach dem alten Versicherungsvertragsgesetz bekam man seinen Schaden am eigenen Fahrzeug ersetzt, wenn man den Schaden nicht grob fahrlässig verursacht hatte. Es galt derzeit das sogenannte „Alles- oder- Nichts- Prinzip“. Wenn man also den Unfall leicht fahrlässig oder fahrlässig verursacht hatte, bekam man seinen Schaden von der Versicherung ersetzt. Wurde der Unfall hingegen grob fahrlässig oder gar bedingt vorsätzlich verursacht, bekam man nichts. Der Übergang dieser einzelnen Verschuldensformen ist fließend und musste jeweils anhand des einzelnen Unfalls ermittelt werden. Seit 2008 hat sich das Versicherungsrecht etwas geändert. Je nach Schwere des Verschuldens kann der Versicherer nun seine Leistung kürzen, wenn der Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt worden ist. Es wird also noch unterschieden, wie schwer grob fahrlässig der Schaden verursacht wurde. Je nach Schwere der groben Fahrlässigkeit wird dann die Leistung der Versicherung gekürzt.
Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 22.06.2011, Az.: IV ZR 225/10) hatte sich jüngst mit einem solchen Fall zu befassen. Im Spiel waren ganze 2,7 Promille und ein anschließender Schaden am eigenen Fahrzeug. Ein Unfall mit 2,7 Promille ist zweifelsfrei grob fahrlässig herbeigeführt. Die Richter des Bundesgerichtshofes mussten nur darüber urteilen wie das Wort „kürzen“ im Versicherungsrecht auszulegen ist. Heißt kürzen nur etwas abziehen oder darf ein Anspruch auch komplett gekürzt werden? Das war die große Frage, die es zu beantworten galt. Kürzen ist etwas anderes als streichen. Folglich wäre es logisch, dass kürzen nicht den vollständigen Wegfall eines Anspruches bedeutet. Es müsste immer noch etwas geben. Das sahen die Richter jedoch ganz anders. Sie legten den entscheidenden § 81 des Versicherungsvertragsgesetzes dahingehend aus, dass auch nach dem neuen Recht keine Zahlung durch die Versicherung erfolgen muss, wenn der Verstoß schwerwiegend ist. Auch nach dem neuen Recht sollten die Verkehrsteilnehmer, die nichts auf der Straße zu suchen haben, nicht auch noch dafür belohnt werden, wenn sie einen Schaden verursachen. Die Richter erteilten diesen Verkehrsteilnehmern eine klare Abfuhr. Sie sollen kein Geld bekommen, denn das neue Versicherungsvertragsgesetz soll diesen Personenkreis nicht begünstigen.
Kürzen kann also auch eine Streichung des Anspruches auf null bedeuten. Ein Urteil, das nicht zu bemängeln ist, da mit 2,7 Promille niemand etwas auf der Straße zu suchen hat.
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