
aus bma 11/11 – Rechtstipp
von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de
Eines der größten Streitthemen ist in letzter Zeit der Nutzungsausfall nach einem Verkehrsunfall.
Bei einem Pkw steht grundsätzlich immer Nutzungsausfall zu, es sei denn, dass das Fahrzeug aufgrund der Unfallverletzungen des Fahrers nicht genutzt werden konnte. Dann gibt es Schmerzensgeld aber keinen Nutzungsausfall. Bei einem Motorrad ist immer zu unterscheiden, ob zusätzlich noch ein Pkw zur Verfügung steht. Ist das der Fall, ist die Durchsetzung des Nutzungsausfalls sehr schwierig und muss mit gutem Wetter und berufsbedingten Fahrten begründet werden. Steht nur ein Motorrad zur Verfügung und muss dieses auch noch für Fahrten zur Arbeit genutzt werden, steht dem Geschädigten grundsätzlich ein Nutzungsausfall nach dem Unfall zu. Ihr fragt euch natürlich, für wie lange? Eine gute Frage, denn das Geld der gegnerischen Versicherung fließt oftmals erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung. Es gibt folglich viele Formalien, die man einhalten muss, um nicht nachher für die ganze Zeit ohne das Bike und ohne Nutzungsausfall dazustehen.
Grundsätzlich hat der Geschädigte die Pflicht, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Das Ganze nennt sich Schadensminderungspflicht. Hat er soviel Geld auf seinem Konto, dass er die Reparaturkosten zunächst verauslagen kann, muss er dies tun. Tut er das nicht, dann bekommt er keinen Nutzungsausfall. Kann er den Schadensbetrag nicht vorfinanzieren, muss er die gegnerische Versicherung so schnell wie möglich darüber informieren. D.h. er muss mitteilen, dass er den Betrag nicht flüssig hat und erst reparieren lassen kann, wenn das Geld von der Versicherung da ist. Er muss gleichzeitig bei seiner Bank anfragen, ob die ihm einen Kredit geben würde. Auch hierauf sollte er die Versicherung hinweisen. Das Ergebnis sollte er auch mitteilen. Gibt es keinen Kredit, bekommt er Nutzungsausfall oder aber die Mietfahrzeugkosten für die voll Ausfallzeit.
Eine Versicherung kam jüngst auf die Idee, dass der Geschädigte zunächst seine Vollkaskoversicherung in Anspruch nehmen müsse. Dieser Fall ging bis vor das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urt. v. 24.05.2011, Az.: I-1 U 220/10). Das OLG Düsseldorf hatte sich damit zu befassen, wie weit die Schadensminderungspflicht des Geschädigten geht.
Das OLG Düsseldorf wies die Argumente der Versicherung, dass die Vollkaskoversicherung zunächst in Anspruch zu nehmen sei mit der Begründung zurück, dass sich der Geschädigte bei diesem Verhalten dem Vorwurf ausgesetzt sieht, den sogenannten Rückstufungsschaden verschuldet zu haben. Der Rückstufungsschaden ist der Schaden, der durch die Höherstufung der Versicherungsbeiträge nach der Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung entsteht. Diesen Rückstufungsschaden muss einem der Unfallverursacher ersetzen. Oftmals ist der Rückstufungsschaden jedoch höher, als der zu ersetzende Nutzungsausfall oder die Mietfahrzeugkosten, so dass das Argument des OLG Düsseldorf zutreffend ist und die Vollkaskoversicherung in einem solchen Fall nicht in Anspruch genommen werden muss.
Soll oder muss ein Mietfahrzeug in Anspruch genommen werden, muss meiner Ansicht nach eine Gegenüberstellung der Kosten für das Mietfahrzeug mit dem Rückstufungsschaden aus der Vollkaskoversicherung vorgenommen werden. Wenn die Mietwagenkosten höher als der Rückstufungsschaden sind muss die Vollkaskoversicherung in Anspruch genommen werden.
Das OLG Düsseldorf zeigt in seinem Urteil auf, wie schwierig es ist, diese Schadensposition aus dem Unfall abzuwickeln bzw. durchzusetzen. Wer gleich nach dem Unfall Fehler macht, kann diese nicht mehr bzw. nur mit finanziellen Einbußen ausbügeln. Es muss sauber agiert und die gegnerische Versicherung über alles sofort informiert werden. Die Versicherung kann und wird dann ihre Arbeitsgeschwindigkeit entsprechend anpassen. Wer erst vier Wochen nach dem Unfall darauf hinweist, dass er weder über Geld noch einen Kredit verfügt, wird für gewöhnlich in die Röhre gucken und eine ganze Stange Geld verschenken. Ihr solltet eure Ansprüche also nicht leichtfertig verschenken!
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