aus bma 10/12 – Rechtstipp von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen, www.janschweers.de
Wenn ich mir die gerichtlichen Entscheidungen zum Wenden im Straßenverkehr durchlese, läuft es mir oft kalt den Rücken runter. Wer wendet, hat nämlich immer eine gesteigerte Sorgfaltspflicht gemäß § 9 Absatz 5 der Straßenverkehrsordnung. Dort heißt es wörtlich: „… beim Wenden und Rückwärtsfahren muss sich der Fahrzeugführer darüber hinaus so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist…” Da ist ja logisch, man muss das Wenden rechtzeitig anzeigen und andere dürfen hierbei nicht gefährdet werden.
Das stellt man sich dann so vor: Man verringert seine Geschwindigkeit und zeigt das Wenden auf der Straße rechtzeitig durch den Fahrtrichtungsanzeiger an, denn der Nachfolgende darf nicht überrascht werden. Der Entgegenkommende natürlich auch nicht. Wird der Entgegenkommende, der zusätzlich Vorfahrt hat, gefährdet, haftet der Wendende für dessen Schaden. So in einem vor dem Oberlandesgericht Hamm (Urt. v. 27.03.1993, Az. 9 U 127/93) entschiedenen Fall. Ein Motorradfahrer war mit einem Pkw kollidiert, der ohne Beachtung des Motorradfahrers in einer Kurve gewendet hatte. Der Motorradfahrer bekam 100 Prozent seines Schadens ersetzt.
Kommt es zu einem Auffahrunfall, trifft den Wendenden auch eine Teilschuld. So in einem vor dem Oberlandesgericht Hamm (Urt. v. 16.12.1993, Az. 27 U 173/93) entschiedenen Fall. Ein Pkw hatte auf der Fahrbahn gewendet und das nachfolgende Fahrzeug war mit überhöhter Geschwindigkeit aufgefahren. Beide trugen in diesem Fall eine Haftung von 50 Prozent. Macht der Hinterherfahrende alles richtig, kann es sogar bis zu einer Haftung von 100 Prozent des Wendenden kommen. Es gilt also besondere Vorsicht bei einem Wendemanöver. Wer ein Fahrzeug hinter sich hat, sollte lieber einen Umweg fahren, bevor er sich der alleinigen Haftung aussetzt.
Fährt der Wendende vom Fahrbahnrand an und kommt es dann zu einem Unfall, trägt er in der Regel die volle Haftung. So auch in einem vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf (Urt. v. 19.03.1986, Az.: 15 U 152/85) entschiedenen Fall. Ein Pkw hatte unter Inanspruchnahme einer Parkbucht gewendet und mit einem rückwärtig sich nähernden Motorrad kollidiert. Der Pkw-Fahrer bekam die volle Schuld zugesprochen. Hier gilt wieder, dass lediglich eine Mitschuld in Betracht kommt, wenn das nachfolgende oder auch entgegenkommende Fahrzeug zu schnell ist.
Das Oberlandesgericht Köln (Urt. v. 17.7.1982, Az.: 24 U 92/82) hatte einem entgegenkommenden Motorradfahrer, der 75 km/h anstatt 50 km/h schnell fuhr, eine Teilschuld von 40 Prozent zugesprochen, nachdem er mit dem entgegenkommenden Pkw, der aus einer Parkbucht herausgefahren war, um zu wenden, kollidiert war.
Beim Wenden auf einer Grundstücksausfahrt kommt in der Regel eine Alleinhaftung zum Tragen. Auch in einem solchen Fall hatte ein Oberlandesgericht, nämlich das OLG Köln, einem Motorradfahrer eine Mithaftung von 33 Prozent zugesprochen, da der Motorradfahrer mit mindestens 25 km/h zu schnell unterwegs war, als er mit einem auf einer Grundstücksausfahrt wendenden Pkw kollidierte.
Das Wenden in einer Kolonne stellt einen weiteren Sonderfall dar. Fährt nämlich der Wendende durch eine Lücke einer stehenden Kolonne, hat er bei einem Zusammenstoß mit einem an der Kolonne vorbeifahrenden Fahrzeug in der Regel eine Haftung von 100 Prozent. Das OLG München sprach einem Pkw Fahrer eine 80-prozentige Haftung zu, nachdem ein Motorradfahrer mit 50 km/h eine stehende Doppelkolonne von Fahrzeugen überholte und der Pkw aus der rechten Kolonne durch eine Lücke über die linke Kolonne ein Wendemanöver durchführte.
Es gibt noch hunderte, ja wahrscheinlich tausende von Wendeurteilen. Ich will mit diesem Rechtstipp nur auf die Problematik der Haftung bzw. Mithaftung beim Wenden sensibilisieren. Wenden sollte vermieden werden. Ihr fahrt alle so viele Kilometer als Freizeitvergnügen, so dass ein kleiner Umweg keinen umbringen wird.
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