aus bma 2/13 – von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen, www.janschweers.de

Dass wir in einem Überwachungsstaat leben, obwohl die DDR seit mehr als 20 Jahren ihr Handtuch geworfen hat, ist jedem von uns sicherlich klar.

Nicht nur, dass unsere öffentlichen Plätze und Bahnhöfe videoüberwacht werden, nein auch die Straßen werden immer mehr durch Videoaufzeichnungen überwacht. Zum Glück erfolgen die Überwachungen zunächst nur ohne eine Identifizierung. Besteht hingegen ein Tatverdacht, dann kommt es zu einer Aufzeichnung und Identifizierung des Auffälligen. Unglaublich aber wahr: Nicht alle Messmethoden sind dabei regelkonform und zu verwerten. Insbesondere die Abstands­- messung findet immer mehr Gegenwehr, denn die Messungen sind nicht immer verwertbar.

Ihr kennt sicherlich die kleine Kamera, die gelegentlich hinter einem Schutzschild an einer Brückenbrüstung montiert wird. Ein Gerät namens Vidit nimmt alle Fahrzeuge mit einer Kamera auf und wenn es dann dazu kommt, dass ein Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug zu gering ist, schaltet sich eine zweite Kamera ein, die es dann auch ermöglicht, dass der Fahrer identifiziert wird. D.h. sein Konterfei ist auf dem Film gut sichtbar. Kommt es dann noch dazu, dass über eine „nicht ganz vorübergehende“ Strecke der Abstand unterschritten wird, flattert der Bußgeldbescheid ins Haus. Beträgt der Abstand weniger als 3/10 des halben Tachowertes, droht bei einer Geschwindigkeit von mehr als 100 km/h sogar ein Fahrverbot von einem Monat. Sind es weniger als 2/10 des halben Tachowertes sind es sogar 2 Monate. Dazu gibt es eine Geldbuße und natürlich Punkte in Flensburg. Doch was ist „nicht nur vorübergehend“, wie es der BGH nennt?

Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass eine Abstandsunterschreitung über 250-300 Meter erfolgen muss. D.h. über 250-300 Meter muss der Abstand unterschritten sein und darf sich auch nicht vergrößert haben. Das ist die Faustentfernung. Bevor man folglich ein Bußgeld bezahlt oder gar die Fahrerlaubnis abgibt, sollte man sich die Videoaufzeichnung genau ansehen. Vergrößern sich die Abstände oder wechselt gar ein anderes Fahrzeug auf die eigene Fahrspur, wird die Messung nicht zu verwerten sein. Es muss aber auch geschaut werden, dass die Berechnung der Abstandsunterschreitung nicht nur vorübergehend ist. Die Einsicht in die Bußgeld­akte und die genaue Betrachtung der Videoaufzeichnung ist folglich Pflicht. Hierbei müssen die Abstände während der Strecke genau begutachtet werden.

Bei der Länge der Strecke vertritt das OLG Hamm (Urteil vom 30.08.2012; Az.: III-1 Rbs 122/12) nunmehr die Ansicht, dass auch 150 Meter ausreichen würden. Es hält die Entfernung bei einem standardisierten Messverfahren, wie mit dem Vidit VKS als ausreichend. Ob diese Entfernung auch seine Zustimmung beim BGH finden wird, ist bisher nicht geklärt. Der BGH verlangt eine nicht ganz vorübergehende Abstandsunterschreitung, lässt sich jedoch nicht dazu ein, wieviel Meter das sind. 150 Meter scheinen jedoch zumindest meiner Meinung nach bei Geschwindigkeiten von mehr als 120 km/h zu gering zu sein. Die meisten Gerichte gehen von 250 bis 300 Metern aus.

Bis diese Frage vom BGH entschieden ist, wird noch Rechtsunsicherheit darüber bestehen und jedes Amtsgericht, das erstinstanzlich über eine Abstandsunterschreitung zu entscheiden hat, wird sich damit beschäftigen müssen wie viele Meter es sein müssen, damit es eine nicht nur vorübergehende Abstandsunterschreitung ist.