
aus bma 4/13 – Rechtstipp
von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de
Bedienungsanleitungen werden eigentlich nur von Spießern gelesen. Früher war ich kein Spießer. Seitdem ich allerdings weiß, dass einem die Kenntnis des Inhaltes der Bedienungsanleitung das Leben vereinfachen kann, studiere ich beruflich, wie auch privat, regelmäßig Bedienungsanleitungen. Mit Erfolg, denn ein Großteil von Bußgeldverfahren kann man gewinnen, wenn einem der genaue Inhalt der Bedienungsanleitung und die besonderen Vorschriften für den Aufbau und die Bedienung des Messgerätes bekannt sind. Nur wer weiß, wie ein Gerät funktioniert und auch ordnungsgemäß zu bedienen ist, kann Messungen, die nicht zu verwerten sind, aufdecken. So haben wir ein Messverfahren mit einem Multanova Messgerät gewonnen, nachdem durch die Bedienungsanleitung bekannt geworden war, dass das Messgerät nicht unterhalb des Straßenniveaus aufgebaut werden durfte.
Das einzige Problem an der Sache ist allerdings, dass einem nicht alle Bedienungsanleitungen zur Verfügung stehen. Früher musste man um die Einsicht in die Bedienungsanleitung bei der zuständigen Bußgeldbehörde oder dem Amtsgericht kämpfen, wenn man sich mit dem Messgerät nicht auskannte. Das alles gehört offensichtlich der Vergangenheit an, denn vermehrt bestätigen die Oberlandesgerichte unserer Bundesländer, dass einem die Einsicht in die Bedienungsanleitung des Messgerätes zu ermöglichen ist. Offensichtlich wollen die Gerichte auch in Bußgeldsachen das rechtliche Gehör und ein faires Verfahren des Betroffenen nicht verletzen. Nur wer die Bedienungsanleitung vor der Verhandlung studiert hat, kann in der Hauptverhandlung die Polizei- und Messbeamten mit den richtigen Fragen konfrontieren.
Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 07.01.2013, Az. 3 Ws (B) 596/12- 162 Ss 178/12) hat das Recht auf Einsicht in die Originalbedienungsanleitung oder in eine Kopie nunmehr auch bestätigt, nachdem bereits zuvor mehrere Amtsgerichte und auch Oberlandesgerichte dem Betroffenen und dessen Verteidiger das Recht eingeräumt hatten. Im vor dem Kammergericht Berlin entschiedenen Fall war ein Betroffener zunächst vom Amtsgericht wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt worden. Hiergegen legte er das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde ein und begründete das Rechtsmittel mit der Verletzung seines rechtlichen Gehörs und der Verletzung eines fairen Verfahrens. Das Amtsgericht hatte zuvor dem Verteidiger die Einsicht in die Bedienungsanleitung des Messgerätes nicht gewährt und auch einen Antrag, die Hauptverhandlung wegen der mangelnden Akteneinsicht zunächst auszusetzen, abgelehnt. Ein mehr als unfaires Verfahren, denn wie soll ein Verteidiger verteidigen, wenn er keinerlei Kenntnis über die Bedienung und die Besonderheiten des Messgerätes hat?
So sah es dann wohl auch das Kammergericht Berlin und die Rechtsbeschwerde hatte vollumfänglich Erfolg. Das Kammergericht Berlin sprach dem Betroffenen und dessen Verteidiger das Recht zu, die Bedienungsanleitung vollständig einzusehen und hob das Urteil des Amtsgerichtes auf.
Ein Urteil, das hoffentlich in Deutschland seine Runde macht. Es kann nicht angehen, dass in einem Rechtsstreit Informationen an die Verteidigung nicht weitergegeben werden und sich dadurch ein Vorteil des Staates, der kräftig und oftmals völlig unverhältnismäßig kassiert, ergibt. Kämpft bitte mehr um eure Rechte, damit solche Urteil auch in den restlichen Bundesländern die Rechte des Betroffenen sichern!
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