Darf’s noch ein bisschen mehr „JV“ sein…?
aus Kradblatt 2/25 von Hermann Folke

Im Mai 1987 ließ ich meine nagelneue Moto Guzzi California II in der Zulassungsstelle der Stadt Oldenburg zum Straßenverkehr zu. Zu dieser Zeit bekamen die Bediensteten in den Ämtern noch Hautausschlag, wenn das Wort „Service“ in ihrer Gegenwart fiel. Wunschkennzeichen? Fehlanzeige! Das gab’s in den 80er Jahren des letzten Jahrtausends noch nicht, jedenfalls nicht für Otto Normalverbraucher.
Nach stundenlanger Wartezeit im Vorraum vor den Sachbearbeiterbüros bekam ich ein riesiges Nummernschild mit der Buchstaben-/Zahlenkombination „OL WV 276“ zugeteilt. Zusammen mit dem Stadtsiegel und dem HU-Aufkleber war das Kuchenblech (28 x 20 cm) dann auch voll. Nach heutigen Maßstäben hatten das Blech, die Buchstaben und Zahlen wuchtige Maße.

Im Februar 1989 zog ich von der Stadt Oldenburg nach Hude im Landkreis Oldenburg um. Neben den Formalitäten beim Einwohnermeldeamt Hude war natürlich die Ummeldung meiner Guzzi in den Landkreis erforderlich. Damals war das halt so.
Also Urlaub eingereicht und ab zum Kreishaus in Wildeshausen. Nach abermals endlos langer Wartezeit war ich dann endlich an der Reihe. Nervös und etwas ängstlich nahm ich allen Mut zusammen für die Frage, ob es unter Umständen möglich wäre, eine kurze Zeichenkombination zu erhalten, da es sich ja um ein Motorrad handeln würde.
Erstaunlicherweise hatte ich dieses Mal Glück mit einer zugeneigten Sachbearbeiterin. Sie war sehr entgegenkommend und blätterte mit mir eine grün-weiße, an beiden Rändern gelochte und sehr dicke EDV-Liste durch, in der alle freien Kennzeichenkombinationen aufgelistet waren. Es dauerte viele Seiten und eine gewisse Zeit, bis wir uns dann auf die Zuteilung des Kennzeichens „OL JV 22“ einigten.
Zu dieser Zeit waren die Buchstaben und Zahlen zwar immer noch riesengroß und die Kombination hatte auch nichts mit meinen Initialen oder meinem Geburtsdatum zu tun, aber das Kuchenblech konnte auf 24 x 20 cm geschrumpft werden. Damit konnte ich gut leben. Schmaler ging es damals nicht.
Mit diesem historischen Kennzeichen ohne Europaflagge und ohne aufgedrucktes „D“ fahre ich seit nunmehr über 35 Jahren herum.

Ich habe mich über das Entgegenkommen der Sachbearbeiterin so sehr gefreut, dass in der Folgezeit und ihr zu Ehren alle meine Autos und Motorräder (und das sind aktuell 6 an der Zahl) mit „OL JV“ ausgestattet sind, wie da sind: OL JV 13, OL JV 21, OL JV 22, OL JV 55, OL JV 66 und OL JV 99. Dazwischen hatte ich noch OL JV 23, OL JV 32 und OL JV 42. Mittlerweile kann man ja über Internetportale der Städte und Gemeinden sein Wunschkennzeichen reservieren, soweit verfügbar.
Im Gegensatz zu meiner California II, die nach über 180.000 km noch recht gut erhalten ist (siehe auch Kradblatt 9/24), hat das Kennzeichen im Laufe der Jahre gelitten. Es ist etwas vergilbt, und an den Rändern der erhabenen Buchstaben/Zahlen beginnt der Lack abzuplatzen. Bisher war ich immer stolz auf mein originales, historisches Kennzeichen, aber nun fasste ich den Entschluss, es doch gegen ein neues zu tauschen. Es liegt bereits fertig geprägt und vorgebohrt in der Schublade und ist nur noch 18 x 20 cm breit.
Inzwischen gibt es die komfortable Möglichkeit, online einen Termin zu buchen, um Kennzeichen umsiegeln zu lassen. Ich muss nicht mehr nach Wildeshausen gurken, sondern nur noch zum Bürgerservicebüro in Hude. Und ich muss keinen Urlaub mehr opfern, denn seit einiger Zeit bin ich Rentner. Die Zeiten und Gegebenheiten ändern sich. Auch die Behördenmitarbeiter. Zumindest in Hude sind sie sehr nett und zuvorkommend. Das Bürgerservicebüro hat seinen Namen verdient.
Ob ich wohl mit dem schmaleren Kennzeichen wegen des geringeren Luftwiderstandes etwas zügiger unterwegs bin? Der nächste Frühling kann gerne kommen …
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