Tourentauglicher Groß-Roller
aus Kradblatt 5/25 von Lars Godejohann
Im Herbst 2023 musste ein neuer Roller her. Nach 200er und 400er Suzuki Burgman sowie einem 600er Sym und einem Honda Helix nun ein Kymco New Downtown 350i, letztes Modelljahr mit Euro 5.

Mein Budget lag bei ca. 6.000 €, damit schieden Burgman (über 8.000 €), Honda Forza, Yamaha X-Max sowie BMW C400GT (über 10.000 €) schon mal aus. Den BMW-Clone Voge SR4 sowie den Zontes 350E bekam ich nicht live zu Gesicht, auch war kein Händler in der Umgebung zu finden. Mit Sym hatte ich mal Ärger, so landete ich beim Kymco New Downtown 350i. Der war 10 Jahre auf dem Markt und wurde abverkauft. Der Nachfolger für 2025 stand in den Startlöchern.

Da ich ihn in matt-silber metallic haben wollte, musste ich den Roller in einer anderen Stadt kaufen. Ich habe das Modell ohne „Noodoe“ (Kymco-Connectivity) genommen – mit technischen Spielereien habe ich es nicht so.
Das Positive: Alles macht einen sehr hochwertigen Eindruck, außer die seitlich silber lackierte Kunststoffabdeckung am Tunnel. Das Handling ist außergewöhnlich gut gelungen, ebenso Fahrwerk & Federung – nicht gerade selbstverständlich bei einem Roller, die besonders hinten schon mal bockhart sein können wegen der hohen bewegten Masse der Triebsatzschwinge.
Das Stauraumangebot ist enorm: zwei Helme und Regenkombi passen unter die Sitzbank. In der Verkleidung gibt es zwei Staufächer, links mit USB-Buchse. Die Lenkerergonomie ist ebenfalls gelungen, die Rückspiegel verdienen ihren Namen, die großen Soziusfußrasten sind aus massivem Alu mit Gummiring. Vernünftige Haltegriffe, die sich auch gut umfassen lassen, gibt es ebenso.
Die Bremsen sind mit Stahlflexleitung und einstellbaren Hebeln versehen, vorne gibt es sogar eine 3-Kolben-Bremszange.
Beim Fahren fühlt sich der Roller stärker an, als er tatsächlich ist. Auf der BAB kann die Tachonadel schon mal 160 km/h anzeigen – was echte 144 km/h sein sollen; nicht schlecht für 29 PS.
Auch sonst: der Roller ist leise-sonor-satt-kraftvoll, so mein Eindruck. Der Verbrauch liegt bei 3,2–3,5 Liter/100 km. Gute 300 km sind immer drin, bevor die Reserve beginnt. Das Aufbocken geht kinderleicht, die Hupe ist lauter als der Durchschnitt.

Das Negative: Fangen wir vorne an: der Kühler ist sehr tief und schräg montiert, weil angeblich die Kühlung so 40% besser sein soll. Leider hat man es versäumt, den Kotflügel entsprechen länger zu bauen. Besser hat man es am Hinterrad gemacht, dort gibt es ein zusätzliches Schutzblech.
Bei Dreck/Rollsplitt/Steinschlag ist also vorne Vorsicht geboten (oder man ergänzt selbst eine Schutzblechverlängerung).
Die Scheinwerfer sind zwar groß, aber mit H7-Glühbirnen bestückt; einer Abblendlicht, einer Fernlicht.Technisch könnte man auf H4-Fassungen umrüsten, würde aber den Gegenverkehr blenden da unterschiedliche Reflektoren verbaut sind.Schwierigkeiten dürfte es auch bei Umrüstung auf LED-Leuchtmittel geben. Die haben keine Zulassung für diesen Roller und hinter der Gummimanschette des Scheinwerfers ist kein Platz mehr für die Ventilatoren der LED-Leuchtmittel von Osram/Philips.
Die originale Scheibe schützt den Oberkörper, mehr nicht. Eine Tourenscheibe musste her. Die nicht verstellbare hohe Givi-Scheibe ist zu hoch und bei Regen gefährlich, weil keine Durchsicht gegeben. Somit musste es die gekürzte Version (mit ABE) sein, die einen verstellbaren Spoiler bekam. Leider war das Ergebnis nicht befriedigend, weshalb ich mich dazu entschloss die Givi-Scheibe zum Airflow-Typ umzubauen. Kaufen kann man diese Scheibe für den Kymco nicht, wohl aber die Einzelteile. Nach erfolgter Umrüstung war das Ergebnis perfekt. Top Windschutz bei hoher Einstellung, freie Sicht bei Regen in der unteren Position.

Die Sitzbank ist zwar groß und gut geformt, jedoch ist der Polsterkern etwas zu weich und die Lendenstütze zu flach. Nach einer Stunde brennt das Popometer. Eine selbstgenähte Sitzauflage aus einem Rückenprotektor-Schaumstoff bewährt sich aktuell ganz gut.
Das vordere Trittbrett ist bei meiner Größe etwas zu steil und zu nah am Fahrer. Eine Feststell-Bremse fehlt, da hilft aber eine Bremshebel-Klemme. Die Kühlertemperatur/Benzin-Anzeige hat zu wenig Segmente, eine Start/Stopp-Funktion gibt es nicht und warum sich das TCS abschalten lässt erschließt sich mir nicht, da es keine Nachteile hat.
Anfangs gab es ein Problem mit dem Motorlauf: ca. alle 100 km ging er im Leerlauf schlagartig aus, begleitet von Auspuffpatschen beim Gaswegnehmen bei 2000 U/min und unruhigem Leerlauf. Die erste Inspektion sowie ein zweiter Werkstattbesuch brachten keine Abhilfe. Nach Importeur-Kontaktaufnahme musste der Roller zurück zum Verkaufshändler, was mir erneut Speditionskosten verursachte. Der Händler war sehr bemüht, den Mangel zu beheben. Wie ich von ihm erfuhr – was mir der Importeur verschwieg – wurden bei einer Charge dieses Rollers defekte Zündspulen verbaut. Deshalb wurde die Zündspule zur Sicherheit gewechselt, das löste das Problem aber nicht. Erst als das Mapping platt gemacht und ein anderes aufgespielt wurde, brachte es erhebliche Besserung. Ausgehen tut der Roller nicht mehr, Auspuffpanschen ist sehr selten geworden und der Leerlauf stabilisiert sich nach einigen Sekunden.

Auf dem MOGO in Hamburg sprach ich mit einem Fahrer, der das gleiche Modell fuhr. Dieser hatte die gleichen Probleme.
Zubehör: Aufgrund der nicht gerade erleuchteten Lichtausbeute montierte ich zwei kleine Nebelscheinwerfer. Auch gab es noch Oxford-Heizgriffe, eine 12-Volt-Steckdose im rechten Staufach sowie eine Navihalterung. Leider ist die Batterie im Heck verbaut, so dass das Versorgungskabel für das elektrische Zubehör durch den ganzen Roller gelegt werden muss. Hierbei zeigte sich, dass die Plastikteile sehr ineinander verschachtelt sind. Will man eines abnehmen, müssen 4–5 andere vorher demontiert werden. Zum Glück fand ich einen Weg, das Kabel ohne Demontage der Plastikhaut nach vorne zum Cockpit zu verlegen.

Als Topcase gab es eines von Givi, weil dessen Träger nicht durch das Kunststoffkleid gebohrt werden muss wie bei Shad. Ich nutze das neue Maxia 5. Dieses klapperte erst, es war die Haltezunge im Schloss. Vier weitere Gummiproppen auf die vorhandenen Gummis und das Topcase stramm aufstecken – das Klappern ist weg. Am Deckelträger gehen die Plastikstopfen oft verloren, ein Tropfen Sekundenkleber hilft.Außerdem lässt sich das Topcase immer noch nicht ohne Schlüssel öffnen. Trotz des riesigen Topcases kann man auch aus nächster Nähe das Rücklicht/Bremslicht sehen – das ist bei einigen anderen Rollern nicht der Fall. Für kalte/schlechte Tage gab es noch Lenkerstulpen (Handprotektoren lassen sich bei einer Givi-Scheibe nicht montieren) und eine gefütterte Scooterdecke. Für meinen alten Rücken baute ich noch eine Fahrerrückenlehne an.
Fazit: der Kymco New Downtown 350i ist ein guter, starker, sehr handlicher Groß-Roller mit sehr viel Platz. Das positive Bild wird durch die beschriebenen negativen Punkte ein wenig getrübt. Die Optik vom italienischen Designer macht was her.
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