Vorwort der Kradblatt-Ausgabe 3/14 von Fritz Inhülsen
Hightech bis zur Kette…
Der technische Fortschritt hat alle unsere Lebensbereiche seit langem erfasst und produziert Veränderungen in kaum nachzuvollziehender Geschwindigkeit.
Auch unser Hobby, das Motorrad, ist davon nicht verschont geblieben und das ist auch überwiegend gut so. Zum einen profitieren wir von dem technischen Fortschritt, z.B. durch sparsamere und zuverlässigere Motoren und einen Gewinn an Sicherheit durch verbesserte Fahrwerke, Bremsen (ABS), Reifen usw. Zum anderen müssen wir immer tiefer in die Tasche greifen, wenn wir an diesem Fortschritt teilhaben wollen.
Dieser Fortschritt nimmt für mich aber zunehmend den Charakter technischen Wettrüstens an, mit dem eindeutigen Ziel, Wachstum durch technische Gimmicks zu generieren. An dieser Stelle wird man einwenden können, dass es doch Motorräder gibt, die noch purer Maschinenbau sind und preiswert dazu, u.a. die aus indischer Produktion (siehe Seite 16-20, Kradblatt 3/14). Fahrzeuge also, weit weg vom Hightech-Status.
Dieser Hinweis geht aber am Kern des Problems vorbei. Gemeint ist hier folgender Fall: Man kauft sich das Motorrad seiner Wahl. Sorgfältig ausgesucht nach eigenen Kriterien und Wünschen und letztlich auch nach seinem Kontostand. Endlich hat man das Gerät seines Begehrens in der Garage und spult nun fleißig und begeistert seine Kilometer ab. Zufrieden und ohne das Gefühl, Wesentliches zu vermissen, wird jede Tour zum Erlebnis. So weit, so gut.
Irgendwann aber kommt der Gedanke an ein neues Motorrad. Man liest einschlägige Zeitschriften (die liest man allerdings auch zwischendurch) und besucht einige der vielen Motorradausstellungen. Zwar weiß man um der vielen technischen Neuerungen, hofft aber dennoch etwas zu finden, was dem bisherigen Modell, mit dem man ja durchaus zufrieden war, einigermaßen entspricht. Aber der technische Fortschritt hat auch bei dem bewährten Modell XY zugeschlagen.
Jetzt leuchten die Scheinwerfer GPS gesteuert um die Ecke und die Tankanzeige weist via Internet rechtzeitig auf die nächste Tankstelle hin und errechnet aus Benzinpreis und Tankvolumen den zu erwartenden Rechnungsbetrag, der dann in irgendeinem Display angezeigt wird. Der mittlerweile selbstverständliche Tempomat wird zusätzlich über den Biorhythmus des Fahrers reguliert, ebenso wie die Dämpfereinstellung des Fahrwerks. Das ist, wenn auch überspitzt beschrieben das, was ich technisches Wettrüsten nenne.
Eine Sache aber ist weitgehend von der technischen Aufrüstung verschont geblieben, nämlich der Kettenantrieb. Dieser blieb bis heute bestehen, obwohl er bei den PKWs vor gut einhundert Jahren abgeschafft wurde und BMW bereits 1923 ein Motorrad auf die Räder stellte, das von einem Kardan angetrieben wurde.
Ich jedenfalls wünsche mir, dass es viel mehr Motorradmodelle mit sauberen und verschleißarmen Antriebstechniken, wie Kardan oder Zahnriemen geben würde. Sollten diese in der Herstellung teurer sein, würde ich gerne auf durch die Decke schießende PS-Zahlen und einigen elektronischen Klimbim verzichten. Wenn darüber hinaus bewährte Technik über längere Zeit erhalten bliebe, bliebe auch unser Hobby auf einem Preisniveau, von dem wir alle etwas hätten.
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Kommentare
Ein Kommentar zu “Editorial 03/14 – Hightech bis zur Kette”
Ich bin froh, das mein Mopped mit Kette ausgerüstet ist. Ein Kardan hat nicht nur Vorteile und er mag wartungsarm sein, aber nicht wartungsfrei. Und der Aufwand bei einer notwendigen Reparatur ist gleich um ein vielfaches höher als ein neuer Kettensatz. Und Zahnriemen 🙁 ein paarSteinchen, die man bei Feldwegfahrten eingesammelt hat, und das war’s mit Zahnriemen.