aus bma 10/05
von Günter Pfeifer
Honda nennt die Gold-Wing ohne jede Bescheidenheit „die Königin der Motorräder”. Und so ganz Unrecht hat der Hersteller damit nicht. Das fahrende Couch-Möbel-Stück mit Sechszylindermotor ist einfach Kult und alle Versuche anderer Hersteller ein Konkurrenz-Modell zu bauen sind bisher gescheitert. Ob mit 1200er, 1500er oder heute gar 1800er Motor, die beleuchteten Tannenbäume mit unzähligen Chromteilen, Armlehnen und wimpelbestückten Antennen haben das „gewisse Etwas”. Trotz ihres enormen Gewichtes vermitteln sie ein Gefühl der Leichtigkeit des Seins und der unendlichen mobilen Freiheit. Und dumme Vorurteile der Bikerfraktion wie Wohnmobil, Gelenkbus, beleuchtete Schrankwand oder gar Antimotorrad dürften die Goldwinger kaum stören. Denn was stören den Adler die Spatzen. Oder?
Der holländische Hersteller EML hat sich nun der „Königin” angenommen und den Luxustourer konsequent zu einem Trike der Superlative umgebaut. So ganz neu ist der Gedanke nicht, denn bereits 1999 gab es ein Trike von EML auf Gold-Wing Basis, allerdings mit dem Vorgängermodell mit dem Namen „Bermuda”
Das Trike der neuesten Generation, es trägt den Namen „Martinique”, wurde uns von der Firma Zweirad Stahmer Meiereistraße 4-8, 25873 Rantrum, zur Verfügung gestellt. Manfred Stahmer ist weit über die Grenzen Schleswig-Holsteins hinaus als hervorragender Motorrad-Gespannbauer bekannt und seit vielen Jahren Vertragshändler von EML. Als dieser hat er ein EML-Teilelager geschaffen mit dem er in der Lage ist, nahezu alle Kundenwünsche zu erfüllen.
Mit der GL 1800 ist Honda der Gold-Wing Tradition treu geblieben, doch die Japaner haben ihr Flaggschiff in vielen Bereichen erheblich verbessert. Allein der Motor gehört mit zu den Besten, die je bei Motorrädern eingesetzt wurden. Der wassergekühlte Sechzylinder-Viertakt-Boxer-Motor mit längsliegender Kurbelwelle arbeitet mit zwei Ventilen pro Zylinder und hat eine Nennleistung von 87 kW (118 PS). Für das enorme Drehmoment von 167 Nm benötigt der Motor nur 4000 U/min. Das sind Werte, die jedes Tourenfahrerherz höher schlagen lassen, und die ein deutlicher Hinweis auf Zuverlässigkeit und ein langes, störungsfreies Motorleben sind. Die elektronische Saugrohreinspritzung ermöglicht auch die Verwendung eines geregelten Katalysators. In der Praxis bedeutet dies alles, daß der sehr laufruhige Motor eine nahezu perfekte und tadellose Leistungskurve produziert. Zur Verbrennung benötigt er für 100 Kilometer ca. 7 Liter Normalkraftstoff und damit reicht der Tankinhalt von 25 Litern für mehr als 300 Kilometer. Zwischen Motor und Fünfganggetriebe arbeitet eine hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung; und eine Kardanverbindung übernimmt den Antrieb der Hinterräder. Um ein besseres Rangieren zu ermöglichen, gibt es einen Rückwärtsgang, der über Knopfbetätigung am Lenker eingelegt wird.
Das gesamte EML-Martinique-Trike ist auf Luxus und Komfort ausgelegt. Chefsessel und Soziussofa bilden die wohl bequemste Sitzbank der Welt. Das Cockpit mit seiner gesamten Instrumentierung, den Schaltern und Knöpfen, verwirrt nur im ersten Augenblick. Man stellt sehr schnell fest, daß die für den Fahrbetrieb wichtigen Bedieneinheiten genau da zu finden sind, wo sie bei anderen Motorrädern auch sitzen. Lediglich für die Klaviatur der Radiobedienung und der Displayanzeigen sollte man die umfangreiche Gebrauchsanweisung lesen oder sich vor Ort einweisen lassen. Die Instrumente und Schalter der Gold-Wing sind jedoch übersichtlich und durchdacht angebracht. Eventuelle Unsicherheiten bei der Bedienung erledigt oft schon die logische Befolgung der Displayanzeige. Die Schalterpanel an den Lenkerenden erfordern gezielten Daumeneinsatz. Das hört sich schlimmer an, als es ist. Mit etwas Übung klappte alles auch mit dicken Handschuhen. Besonders erfreulich ist die gut funktionierende automatische Blinkerabschaltung. Für den Verschluß der Koffer gibt es eine Zentralverriegelung mit einer Fernbedienung, bei der sich der zusätzliche Kofferraum auch getrennt öffnen und schließen läßt. Und sollte mal ein Fach oder ein Koffer nicht geschlossen sein, dann informiert das Display über diesen Zustand. Es blinkt die Anzeige „Open”, und die betreffende Schließeinrichtung wird angezeigt. Das Zündschloß verfügt über die vier Stellungen: ON, OFF, LOCK und ACC. Dabei ist die Stellung ACC besonders interessant, denn in dieser Stellung bleibt die Zündung ausgeschaltet, aber man kann Einstellungen an Radio, Funk- und Kommunikationsanlage vornehmen. Ein großer und gut zu bedienender Drehknopf unterhalb des linken Faches in der Verkleidung ermöglicht die Scheinwerfer-Vertikaleinstellung entsprechend der jeweiligen Beladung. Dem rechten Daumen sollte die Benutzung von Tempomat und Rückwärtsgang antrainiert werden.
EML verwendet für den Antrieb der beiden Hinterräder eine besondere Achskonstruktion aus nahtlosen Chrom-Molybdän-Stahlrohren und geht bei der Radaufhängung einen neuen Weg mit einer halbunabhängigen Aufhängung, dem Torosionssystem und zwei hydraulisch vorspannbaren Stoßdämpfern. Der Kraftschluß zu den Rädern erfolgt über ein Differenzialgetriebe. Diese Antriebsart ergibt im Trike zwei Vorteile. Zum einen werden die Nachteile von Starr- oder Einzelradaufhängung egalisiert und zum anderen ergibt sich Platz für einen Kofferraum mit einer Größe von 145 Litern. 16 Zoll Aluräder, in bildschöner Italo-Optik, tragen Reifen in der Größe 215/65 R 16. Gebremst werden die Hinterräder hydraulisch über 4-Kolbenzangen. Eine abschließbare Feststellbremse, natürlich mit Display-Warnleuchte, wirkt auf beide Räder.
Das Vorderrad wird von einer EML-Gabel geführt, die speziell für Trikebetrieb konstruiert wurde und den Namen „ExtensoDive” führt. Die Gabel, mit sichtbaren Dämpferfedern, ist eine optimale Kombination aus Technik und Optik. Das 14” EML-Rad ist mit 165/65R14 bereift. Die Originalbremse von Honda übernimmt die Verzögerungsaufgaben.
Doch alle technischen Feinheiten dieses Luxusschiffes können hier nicht erwähnt werden. Der Besitzer wird auf jeden Fall überrascht sein, was Honda und EML in diesem Trike alles verwirklicht haben.
Beim Start des Motors hilft eine Schnell-Leerlauf-Automatik. Also Gasgriff nicht öffnen, da sonst das elektronische Steuermodul die Kraftstoffzufuhr sperrt, und der Motor nicht anspringt. Nach dem Druck aufs Starter- knöpfchen läuft der Sechszylinder sofort rund, und eine saubere Gasannahme ist von Beginn an gewährleistet. Da alle Bedienelemente wie bei einem Motorrad funktionieren, entsteht bereits auf den ersten Kilometern ein Gefühl der Sicherheit. Das Trike hat trotz seiner Größe ausgesprochen gute Fahreigenschaften, ist sehr handlich und bleibt sauber in der Spur. Es folgt allen Lenkeingaben präzise und ist mit kaum einem anderen Fahrzeug zu vergleichen. Die Art des Fahrens ist unverwechselbar. Auf ebener Fahrbahn im Geradeauslauf kann man fast von einem Gefühl des Schwebens oder Gleitens sprechen. Zwar tut man gut daran sich erst an die Breite des hinteren Teils von 1,30 Metern zu gewöhnen, denn das sind 20 cm mehr als bei der Solomaschine, denn Bordsteine und ähnliche Hindernisse tun den Blickfang-Hinterrädern sicher nicht gut. Der Sitzkomfort für Pilot und Sozius ist beispielhaft und ermöglicht völlig ermüdungsfreies Fahren. Auch die Sitzposition paßt.
Nach einigen Kilometern zur Eingewöhnung verlassen wir Rantrum über Ostenfeld in Richtung Husum. Da sich auch das Fahren von engen Kurven als problemlos herausstellt, wenngleich ein solches Trike sicher kein „Um-die-Kurven-wetz-Gerät” ist, wagen wir uns in den Straßenverkehr auf der B 5 und fahren Richtung Norden. Es ist Mitte Mai und strahlender Sonnenschein. Das saftige Grün des Frühlings wird nur durch die leuchtendgelben Rapsfelder rechts und links der Straße unterbrochen. Bikerherz, was willst Du mehr. Der sonore Sound des Sechzylinders erweist sich als äußerst angenehm und ist bei normaler Fahrt recht leise. Doch wird zum Überholen die Drehzahl kräftig erhöht, dann ertönt ein Sound, der an einen Chevy V8 oder Porsche erinnert.
Da es noch recht früh am Morgen und Zeit für das Frühstück ist, fahren wir in den Hafenbereich von Husum, wo im Fischhaus Loof nicht nur die Brötchen hervorragend schmecken, sondern Motorradfahrer auch herzlich willkommen sind.
Bis Bredstedt bleiben wir auf der B 5 und biegen dann links in Richtung Nordsee ab. Auf kleinen kurvenreichen Straßen geht es oft direkt am Außendeich entlang, an Dagebüll vorbei, nach Niebüll. Dort reihen wir uns in die Warteschlange für die Bahnüberfahrt zur Insel Sylt ein. Seit das neue Terminal in Betrieb ist, geht die Abfertigung recht zügig vor sich. Dann genießen wir die Bahnfahrt. Nach ca. 40 Minuten sind wir auf der Insel der Reichen. Ein kurzer Tankstop in Westerland und dann gehts auf Inselrundfahrt. Die Straße zur Südspitze nach Hörnum ist recht schmal und wird von vielen Radfahrern benutzt. Da ist Vorsicht geboten. Doch wir genießen die Fahrt durch die Sylter Dünenlandschaft und staunen über die Wucht der Nordseewellen, die schon große Stücke der Insel ins Meer geholt haben. Von der Südspitze aus machen wir uns auf den Weg nach List im Norden der Insel. Es wird eine gemütliche Easy-Rider-Tour, denn wir machen an bekannten Orten kleine Pausen. Schauen uns das Nordsee-Aquarium in Westerland an. Halten in Wenningstedt, Keitum und beim „Roten Kliff”, parken ungeniert neben Ferrari, Mercedes S oder anderen Zweitwagen. Aber Aufmerksamkeit erregt unser „Martinique” mehr als die Superkarossen. Immer wieder müssen wir Fragen zum Trike beantworten, die uns von staunenden Passanten gestellt werden.
Um die Mittagszeit kommen wir dann, mittlerweile mit knurrendem Magen, in List an. Eben dieses Magengeräusch führt uns direkt zum Neubau von Gosch, und wir genießen ein leckeres Mittagessen zu keineswegs Sylter-Preisen. Für Reisende auf Sylt gehört ein Besuch bei Gosch/List unbedingt dazu. Da wir noch Zeit bis zu Abfahrt der Fähre nach Røm in Dänemark haben, besuchen wir den Sylter Ellenbogen, ein besonderes Landschaftsschutzgebiet und nördlichste Spitze der Insel. Nach gut 45 Minuten Fährüberfahrt sind wir in Dänemark. Ab jetzt zwingen uns die Geschwindigkeitsbeschränkungen zu ständigen Blicken auf den Tacho.
Leider ist der Himmel jetzt bedeckt, und es ziehen dunkelgraue Wolken auf. Wir schaffen es gerade noch über den langen Verbindungsdamm zum Festland, bevor uns ein kräftiges Gewitter mit allem, was dazu gehört, erwischt. Bevor wir endlich einen trockenen Unterstand erreichen, lerne ich die riesige Verkleidung mit der großen Frontscheibe zu schätzen. Dahinter bleibe ich fast trocken. Durch Verwirbelungen hinter dem Fahrer hat es der Sozius nicht ganz so gut.
Nach einer guten Kaffeepottlänge ist der Spuk auch schon wieder vorbei, und die Sonne kommt hervor. An der Nordseeküste entlang geht es auf der 419 nach Tondern und von dort weiter auf der Acht bis zur Auffahrt E 45. Also quer durch die wunderschöne Landschaft Südtonderns. Für Naturfreunde ist diese Tour ein fantastisches Erlebnis. Auf der Autobahn schlagen wir eine schnellere Gangart ein. Das Trike ist im gesamten Fahrverhalten ein absolutes Sahnestück, und die exzellente Straßenlage ändert sich auch nicht bei höherer Geschwindigkeit. Zum Lenken ist nur wenig Muskelkraft erforderlich. Die Bremsen lassen sich gut dosieren und haben die Räder jederzeit im Griff. Auch wenn mal kräftig gebremst werden muß, bleibt das Fahrzeug sauber in der Spur. Eine Höchstgeschwindigkeitsorgie haben wir dem Trike mit Rücksicht auf den neuen Motor erspart. Aber eine Reisegeschwindigkeit bei mittlerer Drehzahl von 160-180 km/h ist leicht zu erreichen. Nur der fünfte Gang verdient die Bezeichnung „OverDrive” nicht, dazu ist er zu kurz übersezt und demzufolge ständig im Einsatz.
Bei vorurteilsfreier Betrachtung stellt man eine gefällige und designbetonte Bauweise des gesamten Fahrzeuges fest. Besonders positiv fällt die qualitativ hochwertige Verarbeitung auf. Exakte Spaltmaße und Linienführungen in Verbindung mit einer hervorragend ausgeführten Metallic-Lackierung verwöhnen das Auge.
Die Gründe, sich für den Kauf eines Trikes zu entscheiden, können vielfältig sein. Oft zwingt die eigene Gesundheit, bei Knie- oder Hüftproblemen, zu derartigen Überlegungen, oder aber der fehlende Motorradführerschein. Zum Trikefahren benötigt man einen PKW-Führerschein und weil keine Sicherheitsgurte vorhanden sind, besteht Helmzwang. Es kann aber auch das einzigartige Fahr-erlebnis sein, das der Trikefahrer über alles andere stellt. Wie auch immer; Trikes sind eine besondere Art der Fahrweise.
Und wie immer, die Frage zum Schluß: „Was kostet der Spaß?”
Als Vorführer steht das Fahrzeug mit der Preisangabe: 36.000 Euro bei Stahmer in Rantrum.
Wer jedoch schon eine GL 1800 sein eigen nennt und an einen Umbau denkt, sollte unten aufgeführte Kosten einplanen.
Umbausatz 10.091 Euro
Montage 1.551,50 Euro
Lackierung 1.290 Euro
TÜV-Abnahme 295 Euro
Info´s: Tel. 04848/269
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Kommentare
4 Kommentare zu “Honda GL 1800 Gold Wing EML-Trike”
guten Tag bauen sie Honda Goldwing in trike um ist das möglich ein Umbau
bitte :wo gibt es die Goldwing-triks in österreich bzw.in der nähe von linz eine werkstadt oder händler der mir weiterhelfen kann möchte mir eine kaufen und fahren gebraucht oder neu kommt auf den preis drauf an 1500 oder 1800 Goldwingtrik kann mir wer helfen oder adressen geben bitte, bitte ,und danke im voraus lg hermi
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Bitte um Adressen und Telefonnummern in Austria die Eure Trikes fahren,möchte auch ein Trike zulegen. Resch Gerhard Höch 110 8444 St. Andrä i. Sausal, Austria. Danke im Vorraus!
Hallo Gerhard.
Frage in Österreich mal hier:
Schratter Motorcycles
Karlauergürtel 9
A-8020 Graz
Tel. +43 (0) 316 722022
http://www.schratter.at
Low Motorrad Technik & Gespannbau
Auf der Pfarrwiese 16
A-5282 Ranshofen
Tel. +43 (0) 676395728
Viele Grüße,
die bma-Red.