aus bma 04/98

von Marcus Lacroix

Wer in unserer Gesellschaft heutzutage noch ein wenig auffallen möchte, muß schon zu recht harten Mitteln greifen. Reichten früher noch ein Ohrring und ein möglichst hubraumstarkes Motorrad, um für Aufsehen zu sorgen, erzeugt heute selbst ein Zungenpircing nur noch ein leichtes Schulterzucken. Motorräder aller Art fürKawasaki KLF 300 jeden Geschmack gibt es wie Sand am Meer. Ein wenig mehr Aufmerksamkeit unter seinen Mitmenschen verschafft man sich mit einem Motorrad-Gespann, während Trikes bei manchen ein eher mitleidiges Grinsen provozieren. Die Firma Voigt & Stever, Kawasaki- und Ducati-Vertragshändler aus Ebstorf bei Uelzen, verhalf uns nun aber zu einem Auftritt, der gar nicht so einfach zu toppen ist. Zwei Wochen lang durften wir ein Kawasaki KLF 300 C 4×4 Quad bewegen. Ein was?! Genau, so ein Teil, das in der Mitte fast wie ein Motorrad aussieht, jedoch auf vier dicken Reifen daherkommt – ein Quad halt. Um es vorweg zu nehmen: es gibt in unserem Lande wohl kaum etwas überflüssigeres als ein Quad, aber was soll’s. In erster Linie leben wir ja, um Spaß zu haben, und den bekommt man auf solch einem Gefährt garantiert.
Im Ami- oder Aussiland sieht das freilich anders aus. Da werden Quads nicht nur zum Spaß oder bei Sportveranstaltungen eingesetzt, dort nutzt man sie als ernsthafte Arbeitsgeräte – sei es nun am Strand bei Baywatch als schnelles Einsatzmobil oder auf großen Farmen zum Schäfchenzählen und zur Kontrolle von Weidezäunen. Sinnvolle Verwendungszwecke gibt es für ein Quad sicher viele, allerdings sind diese fast ausschließlich auf’s Gelände bezogen. In Deutschland haben wir in dieser Hinsicht natürlich echte Nachteile, denn wo gibt es bei uns noch frei befahrbares Gelände?

 

Kawasaki KLF 300So ist es auch nicht weiter verwunderlich, daß Zugeständnisse an die deutsche Straßenverkehrszulassungsordnung bei unserem Quad gemacht werden mußten. Beleuchtungseinrichtungen, ein Tacho und ein Zusatzschild, das auf eine Tempobegrenzung von 59 km/h hinweist sind Pflicht. 59 km/h? Autsch! Das kann doch nur ein Witz sein, oder?! Das ist es leider nicht, denn laut Fahrzeugschein handelt es sich bei unserem Quad um eine Zugmaschine. Fahrten auf der Autobahn sind somit also tabu, denn dafür müßte die bauartbedingte Mindestgeschwindigkeit ja 60 Stundenkilometer überschreiten. Naja, wenigstens darf das Ding mit dem Führerschein der Klasse Drei bewegt werden.
Die geländemäßige Fahrwerksauslegung und die dicken Niederdruck-Stollenreifen sorgen aber auch ohne die Geschwindigkeitsbegrenzung dafür, daß längere Fahrten auf öffentlichen Straßen nicht unbedingt viel Freude bereiten. Erste vorsichtige Fahrversuche auf dem Hof der Redaktion ließen sogar Zweifel aufkommen, ob sich das Quad überhaupt auf der Straße fahren läßt. Die Bedienungsanleitung hätte uns da beigepflichtet, denn wie schreibt Kawasaki dort sehr treffend: „Dieses Fahrzeug wurde ausschließlich für Fahrten im Gelände konzipiert. Sicheres Fahren auf öffentlichen Verkehrswegen…..ist nicht gewährleistet.” Na schönen Dank! Daß dem TÜV das nicht aufgefallen ist?! Eindringliche Warnhinweise dahingehend, daß Quad-Anfänger abseits des Verkehrs üben sollen, bzw. an einem Übungskurs teilnehmen sollten, stärkten das Selbstvertrauen auch nicht gerade.
Kawasaki KLF 300Quadfahren läßt sich nur schwer mit einer anderen Art der Fortbewegung vergleichen. Wer glaubt, er könne mal eben aufsteigen und eine schnelle Runde drehen, irrt gewaltig. Die Bedienungsanleitung spart aus diesem Grund auch nicht mit guten Ratschlägen, die dem Anfänger das Quadfahren sehr erleichtern. Das Fahrgefühl auf dem Quad läßt sich am ehesten mit dem Gespannfahren vergleichen, eine Form des Motorradfahrens, die auch nicht jedermanns Sache ist. Wie das Gespann, möchte auch ein Quad mit Körpereinsatz bewegt werden. Gewichtsverlagerungen zur Kurveninnenseite sorgen dafür, daß man ohne Kippgefahr schnell um’s Eck kommt. Trotzdem verhält sich das Fahrzeug auf der Straße recht instabil. Nach einiger Zeit merkt man dann, daß es besser ist, die Zügel nicht zu stramm zu halten. Das heißt im Klartext: Der Fahrer sollte nicht bei jeder kleinen Bewegung des Quads versuchen, es auf den richtigen Weg zu zwingen. Durch häufiges Zerren am Lenker bringt man sonst erst recht Unruhe ins Fahrwerk. Wenn man das Quad einfach laufen läßt, und nur die grobe Richtung vorgibt, bleibt es ganz passabel in der Spur.
Neben den langen Federwegen und den Niederdruckreifen sorgt die Art und Weise des Antriebs für das eigenartige Fahrverhalten des KLF 300. Das 4×4 im Namen sagt es deutlich: alle Räder sind angetrieben. Dieser Allradantrieb läßt sich nicht abschalten, und so erfordert das Kurvenfahren eine starke Hand. Die Vorderräder sind ständig bestrebt, das Fahrzeug auf einen geraden Kurs zu bringen. Mit etwas Rückenwind schwingt sich das KLF nach Tacho knapp auf geschätzte 70 km/h. Geschätzt deshalb, weil das große Anzeige-Instrument nur eine bis 60 km/h reichende Skala hat. Die fünf Vorwärtsgänge in dem hakeligen, halbautomatischen Getriebe (wie bei der legendären Honda Dax) hat man aufgrund der kurzen Übersetzung schon lange vorher durchgeschaltet.
Kawasaki KLF 300Die Sitzposition ist bequem und eigentlich könnte man trotz der geringen Endgeschwindigkeit auch längere Strecken gut überbrücken. Könnte deshalb, weil man leider schon nach fünf Kilometern einen Krampf im Daumen bekommt. Was das nun wieder bedeutet? Ganz einfach: Statt mit einem Drehgriff wie beim Motorrad, muß man bei dem Quad mit dem Daumen Gas geben. Schiebt man den kleinen Hebel nach vorne, wird die Fuhre schneller. Angeblich soll es im schweren Gelände Vorteile bringen, ich würde mein Quad jedoch auf eine herkömmliche, motorradtypische Bedienung umrüsten.
Ungewohnt heftig ist auch die Geräuschentwicklung des Quad. Tuckert der kleine 290ccm SOHC Einzylinder-Viertaktmotor bei Standgas noch ruhig vor sich hin, nachdem er vom E-Starter zum Leben erweckt wurde, so ist das Gefährt im Straßenbetrieb unangenehm laut. Aufgrund der kurzen Übersetzung jubelt der 20 PS Motor fast immer mit Vollgas. Dazu gesellt sich das laute Abrollgeräusch der Geländereifen und das Pfeifen von Antriebswellen und Differentialen.
Die bisherige Beschreibung des Kawasaki KLF 300 läßt ja nicht unbedingt auf den Spaß schließen, den wir mit dem Quad hatten. Begeben wir uns also dorthin, wo sich richtige Quad-Piloten am wohlsten fühlen: ins Gelände. Zuerst war ich zugegebenermaßen etwas enttäuscht, denn in meiner Vorstellung sah ich mich mit einem wild driftendem Crossquad um Ecken heizen und über Hügel springen. Die Zugmaschine KLF 300 C eignet sich allerdings nicht für die Verwirklichung solcher Träume, denn schon das Gewicht/ Leistungsverhältnis fällt zu schlecht aus. 20 PS bei 230 Kilogramm Leergewicht sprechen für sich.
Begeisterung kommt hingegen auf, wenn man das KLF trialmäßig im Gelände bewegt. Wie ein Traktor krabbelt es über alle Hindernisse hinweg. Die breiten Reifen graben sich durch Schlamm und Sand, und steckt man wirklich fest, so bleibt immer noch der Rückwärtsgang. Für ganz schwieriges Gelände läßt sich die Gesamtübersetzung durch Umlegen eines Hebels verringern. Dadurch läßt sich das maximale Drehmoment optimal nutzen. Das Gefühl, mit dem Quad nicht stürzen zu können, ist sehr beruhigend. Kritisch wird es eigentlich nur, wenn man zu schräg am Hang fährt und das Quad kippt, oder wenn man sich bei steilen Auf- und Abfahrten verschätzt. Im Zweifelsfall kann man dann aber abspringen, und das sehr robust aufgebaute Fahrzeug wird auch bei einem Überschlag kaum Schaden nehmen.
Aufgrund der soliden Bauweise läßt sich das Quad übrigens hervorragend als Klettergerüst für Kinder einsetzen. Helle Freude kommt besonders dann auf, wenn man mit den Kleinen im Garten seine Runden dreht. Mein Nachbar hatte jedenfalls arge Mühe, seinen Nachwuchs zum Abendessen ins Haus zu bekommen, und tags darauf wollten sie gleich auf dem Motorrad mitfahren.
Auch für Einkaufsfahrten läßt sich das Quad einsetzen, denn bei einer Zuladung von 168 Kilogramm und den beiden stabilen Gepäckträgern, kann man dem Vierrad einiges aufbürden. Dank einer Anhängerkupplung dürfen sogar gebremste Anhänger bis 500 Kilogramm, oder ungebremste bis 165 Kilogramm gezogen werden.
Exclusivität und Showeffekt haben natürlich ihren Preis. Ob man sich den Spaß für recht happige 14.600 deutsche Mark gönnen möchte, muß jeder für sich selbst entscheiden. Ich persönlich könnte mich gedanklich schon für eine längere Zeit mit einem Quad anfreunden. Es sollte dann aber sportlicher ausgelegt sein, mit höherer Endgeschwindigkeit und mehr Power. Möglich scheint dies zu sein, denn neulich las ich eine Anzeige, die für Quads mit legalen 85 Stundenkilometern warb.
Wer gerne selbst einmal ein Quad fahren möchte, oder weitere Informationen zu dieser seltsamen Art der Fortbewegung benötigt, sollte ganz einfach bei der Firma Voigt & Stever in 29574 Ebstorf vorbeischauen. Dort steht dann auch ein sehr interessantes Sportquad im Laden…