aus Kradblatt 7/14
von Jogi / penta-media
25 Jahre Wacken Open Air (W.O.A.)
36 Jahre MC No Mercys
Das Wacken Open Air Festival, das 2014 vom 31. Juli bis 3. August stattfindet, ist inzwischen Europas größtes Heavy Metal Festival und verhalf dem kleinen verschlafenen Schleswig-Holsteiner Dorf Wacken, in der Nähe des Nord-Ostsee Kanals, nicht nur bei den Metal-Fans zu Weltruhm.
1990 entstand die Idee zu dem Festival in den Köpfen von Thomas Jensen und Holger Hübner, beide wohnhaft in Wacken und Mitglieder der Rockband „Skyline“. Alles lief langsam an und das erste Festival in einer Wackener Kiesgrube hatte nicht mehr als 800 Besucher und sechs Bands. Das Gelände diente bis dahin dem Motorrad-Club „No Mercy’s“ als Veranstaltungsort. So war die Zielgruppe des Festivals ursprünglich in der Motorrad-Szene zu finden. Das Ticket für drei Tage kostete gerade einmal 12 DM. Ähnliche Festivals wie „Monsters of Rock“ liefen nur über einen Tag und boten keine Camping-Möglichkeiten. Im Laufe der Jahre nahm das Volumen der Veranstaltung kontinuierlich zu.
Heute wird auf zahlreichen Großbühnen gespielt, die Bands sind international und das Gelände umfasst ganze 200 Hektar. Das sind ca. 207 Fußballfelder. Stars wie Alice Cooper, Doro Pesch und Motörhead ziehen die Besucher an und 2013 gaben sich über 126 Bands das Mikrophon in die Hand. Die Teilnehmerzahlen liegen inzwischen bei über 90.000 Gästen. Eintrittskarten sind in der Regel schon im Herbst des Vorjahres ausverkauft, obwohl der Preis für alle drei Tage aktuell um stolze 170 Euro herum liegt.
Für das Jahr 2014 ist es nahezu unmöglich jetzt noch Karten zu bekommen. Viele Fans reisen schon Tage vorher an, um sich die besten Plätze auf dem Campground zu sichern und vorzuglühen. Mit der Organisation der Infrastruktur steht der Veranstalter jedes Jahr vor einer riesigen Aufgabe und hat in den letzten Jahren über 2 Millionen Euro in die Hand nehmen müssen, um die Strom- und Wasserversorgung sicher zu stellen, für ausreichend Wegbefestigungen zu sorgen und die Gemeinde Wacken auf den Besucherstrom vorzubereiten. Die Gemeinde ist dankbar dafür und hat sich ihrerseits an die Bedürfnisse der Metal-Fans angepasst. Insbesondere die ortsansässigen Supermärkte freuen sich bei jedem Festival auf ihre höchsten Umsätze des Jahres.
W.O.A. ist zur Marke geworden. Zahlreiche Merchandise-Artikel finden jedes Jahr ihre Abnehmer. Über Videos, CDs, Shirts, Kalender mit den „Wacken Metal Dream Girls“ und bedruckten Bechern ist alles zu haben. Seit 2005 hat das W.O.A. sogar seine eigene Biermarke. Das Wacken Premium Pils.
Sicherheitstechnisch ist die Großveranstaltung unproblematisch. Im Vergleich zu anderen Veranstaltungen ist das W.O.A. extrem friedlich und frei von Ausschreitungen. „Trotzdem sind wir Sanitäter vor Ort nicht arbeitslos“, berichtet Daniel Ruge vom DLRG Norderstedt, der bereits wiederholt freiwilligen Dienst auf dem W.O.A schiebt. Kleine Schnittwunden und Prellungen, umgeknickte Knöchel und auch die Folgen übermäßigen Alkoholgenusses sind nicht selten zu behandeln. In den letzten Jahren waren auch drei stark alkoholisierte Todesopfer zu beklagen. Die W.O.A. Organisatoren reagierten mit einer Benefizaktion zu Gunsten der Familien der Opfer.
Zahlreiche Berichterstattungen in Funk und Fernsehen steigern den Kultfaktor Wacken.
Die einstige Zielgruppe aus der Motorrad-Szene wird heute von den Metal-Fans weit überflügelt. Trotzdem sind nach wie vor viele Biker jedes Jahr dabei. Da beide Gruppen bevorzugt in schwarzen Klamotten und Kutten unterwegs sind, ist es oft nicht möglich Biker und Metal-Fans zu unterscheiden, zudem es auch noch Schnittmengen gibt. Wir hatten uns ins Getümmel gestürzt um der Frage nachzugehen, wie sich Biker und Metal-Fans in diesen drei wilden Tagen verstehen. Ganz einfach: Hervorragend!
Erinnerungen an die Anfänge:
Nils Lofgreen inspirierte 1978 mit seinem Song „No Mercy“ sieben gleichgesinnte Motorradfahrer, sich unter diesem Namen zusammen zu schließen, um damit ihren Zusammenhalt und ihre Freundschaft nach außen zu zeigen. Wir haben Helgo, ein Gründungsmitglied der „No Mercy’s“ in Vaale, einer kleinen Ortschaft unweit von Wacken besucht, um uns die Geschichte der MFG „No Mercy’s“ erzählen lassen.
„Zunächst ging es allen darum möglichst viel Zeit auf dem Motorrad zu verbringen und andere Clubs und Fahrgemeinschaften zu besuchen, um mit diesen zu feiern und Freundschaften aufzubauen. Wir trafen uns alle zwei Wochen in der Stammkneipe in Bockelrehn. 1981 wurde die erste eigene größere Fete mit Zelten und Lagerfeuern in Grüntal auf einem Spülfeld des Nord-Ostsee-Kanals veranstaltet. 1985 ging es dann zum ersten Mal nach Wacken. Das war früher noch eindeutig eine schöne, schmutzige Biker-Fete mit Striptease und Biker-Spielen. Die Band „Skyline“ durfte damals bei uns spielen. Die gesamte Organisation machten wir selber. Wir hatten ein großes Musikzelt mit selbstgebautem Holzgerüst und einer Bühne errichtet. Die Zeltplanen wurden noch per Hand in der Mitte vernäht. Das war richtige Knochenarbeit. Keiner wusste außerdem, ob sich die Veranstaltung überhaupt finanziell trägt. Wir haben es einfach gemacht. Jeder musste beim Aufbau, Abbau und der Platzreinigung mit anfassen. Wer nicht mit angefasst hatte, der flog raus.
Wir waren zeitweilig 48 Mann im Club. Es war nicht schwierig bei uns einzusteigen. Drei Monate zur Probe, und fertig. Es war aber auch nicht schwer wieder hinaus geworfen zu werden. Zugegeben, wir hatten schon einen hohen Durchlauf von Mitgliedern. Damals haben wir angefangen einen Vorstand zu wählen. Wenn der Vorstand mit der (Un)tätigkeit eines Mitgliedes nicht zufrieden war, wurde es entlassen. So einfach war das. Natürlich wurde damals auf unseren Partys auch schon unglaublich viel gesoffen. Wir mussten ständig für Nachschub sorgen und haben alles für unsere Feten aufgekauft, was uns unter die Finger geriet. Danach gab es zwei Wochen lang keine alkoholischen Getränke mehr in den umliegenden Dörfern zu erstehen, weil die Läden früher nicht so schnell wieder beliefert werden konnten wie heute.
Thomas Jensen und Holger Hübner von „Skyline“ haben sich das Konzept unserer Feten angesehen und praktisch kopiert – vielleicht etwas musiklastiger. Die hatten auch die gleichen Anlaufschwierigkeiten wie wir. Der bedeutende Unterschied war nur, dass sie einen besseren Draht zu der Gemeinde und dem Bauern hatten, auf dessen Wiesen das W.O.A. heute noch stattfindet. Zwei Veranstaltungen dieser Art waren der Gemeinde zu viel. Es hieß, wir wären zu laut und man könnte den Anwohnern nicht zwei Veranstaltungen zumuten.
Die Behörden saßen in der Zwickmühle und mussten entscheiden wer bleibt. Daraufhin sind wir gegangen und konzentrieren uns wieder auf das Wesentliche, nämlich Motorradfahren. Wir haben trotzdem grundsätzlich ein gutes Verhältnis zum W.O.A., auch wenn wir nicht mehr hingehen. Das Ganze ist uns zu kommerziell geworden. Aber wir freuen uns darüber, dass wir in der Geschichte vom W.O.A. erwähnt werden. Das ist ja auch eine gute Sache. Die ganze Region profitiert davon. Wir sind heute 28 Mitglieder und 3 Anwärter. Alle zwischen 17 und 50 Jahren alt. Wir fahren immer noch gerne die Partys von befreundeten Clubs an und freuen uns darüber, dass wir eigentlich überall in Schleswig-Holstein gerne gesehen werden. Außerdem besuchen wir gerne Motorsport-Veranstaltungen.“
Info gibt es online unter www.wacken.com und www.no-mercys.de.
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