
aus bma 11/12 – Rechtstipp
von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de
Es gibt manchmal schon kuriose Sachverhalte, die einen am deutschen Rechtssystem zweifeln lassen. Ihr werdet alle schon einmal davon gehört haben, dass bei einer verdächtigen Person eine Durchsuchung der Wohnung angeordnet werden kann, wenn zu vermuten ist, dass bei der Durchsuchung Beweismittel aufgefunden werden. Das Ganze gilt für Schwerverbrecher einer Straftat. Also keine Sorge, wer eine saubere Weste hat, braucht eine Durchsuchung nicht zu fürchten. Nun stellt euch aber vor, morgens klingelt die Polizei mit einem Durchsuchungsbeschluss bei euch und nimmt dann eure Motorradbekleidung mit. Ihr würdet sicherlich mit dem Kopf schütteln und an unserem Rechtssystem zu zweifeln beginnen, wenn ihr es bis dahin noch nicht getan habt.
Das Landgericht Tübingen (Beschluss vom 29.12.2011, Aktenzeichen 1 QS 248/11 OWi) hatte sich jüngst damit zu befassen, ob eine Durchsuchung auch bei einer Verkehrsordnungswidrigkeit verhältnismäßig ist. Eine interessante Frage.
Ein Motorradfahrer war durch eine Verkehrsordnungswidrigkeit aufgefallen. Da seine Identifizierung und Überführung nicht so einfach waren, entschloss sich das zuständige Gericht, die Wohnung des Verdächtigen durchsuchen zu lassen. Man versprach sich davon das Auffinden von Motorradbekleidung, die den Fahrer überführen sollte. Allen war vorher klar, dass allein die Motorradbekleidung kein Beweismittel für die Fahrereigenschaft des Verdächtigen ist, d.h. dass er am Tattag auch tatsächlich das Motorrad gefahren hatte. Die Motorradbekleidung konnte allenfalls ein Indiz dafür sein, dass er gefahren war – mehr aber auch nicht. Dem Motorradfahrer drohte nicht einmal ein Fahrverbot, da das Motorrad „nur” mit 39 km/h über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemessen worden war und der Betroffene zuvor nicht auffällig geworden war.
Das Landgericht Tübingen hatte über die Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung und der anschließenden Beschlagnahme der Motorradbekleidung zu entscheiden.
Erstaunlicherweise befand es die Maßnahme für verhältnismäßig. In seiner Begründung führte das Landgericht aus, dass eine solche Durchsuchung auch bei einer Ordnungswidrigkeit verhältnismäßig sein kann, wenn sie angemessen im Verhältnis zur Schwere der Tat ist. Dies bejahte das Landgericht Tübingen damit, dass eine Geldbuße von 120 Euro bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 39 km/h droht und auch 3 Punkte ins Verkehrszentralregister eingetragen werden. Auch wenn der Betroffene seine Fahrerlaubnis nicht aufgrund dieses Vorwurfes abgeben muss, ist es zumindest möglich, dass es beim Erreichen eines bestimmten Punktestandes dazu kommen könnte. Das Gericht befand die Maßnahme auch geeignet, um eine Identifizierung des Fahrers zu ermöglichen, obwohl allein aufgrund von Motorradbekleidung noch nicht auf die Person des Fahrers geschlossen werden kann. Anhand von Motorradbekleidung kann man schließlich nicht sagen, wer gefahren ist. Dazu gehört schon weitaus mehr. Das alles interessierte das zuständige Gericht jedoch nicht.
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Kommentare
Ein Kommentar zu “Rechtstipp – Hausdurchsuchung nach Geschwindigkeitsübertretung”
Ich frage mich gerade in was für einem Film ich bin? Da werden Kinderschänder – Vergewaltiger usw laufen gelassen wegen einem Formfehler, und den Fahrer behandeln sie wie ein Straftäter?? Wo leben wir den? In Russland da ist die Regierung auch die Mafia.