aus bma 6/11 von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen, www.janschweers.de
Was ist Mode und wie wird etwas zur Mode? Damit befasst sich ein ganzer Industriezweig. Vor zwei Jahren war eine Auspufftüte in Mode, jetzt sind es wieder zwei und zwar rechts und links des Bikes. Wohlmöglich sind es eventuell auch bald drei und unter der Sitzbank brüllt ein weiteres Rohr nach hinten hinaus. Die Welt ist schnelllebig und ehe man sich versieht, ist man total out und wird von seiner Umwelt belächelt.
So schnelllebig ist mittlerweile auch unsere Rechtsprechung, die ihre Urteile in immer kürzeren Taktungen veröffentlicht.
Ihr könnt Euch sicher noch an das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem letzten Jahr erinnern, in dem die durchgängige Videoüberwachung und mögliche Identifizierung des Fahrzeugführers für verfassungswidrig befunden worden ist. Das hatte sehr viele Freisprüche zur Folge und unser Staat musste sich neue Möglichkeiten überlegen, um Verstöße rechtlich haltbar aufzuzeichnen.
Die Messgeräte wurden entsprechend verändert, so dass zunächst bei der Aufzeichnung kein Gesicht indentifizierbar ist und erst bei einem sogenannten Anfangsverdacht das Konterfei über ein weiteres Gerät aufgezeichnet wird. Die sogenannte Identifizierungskamera macht es möglich. Die Gerichte sind mit dieser Vorgehensweise einverstanden und damit besteht schlichtweg ein Freifahrtschein, alle Straßen zu überwachen.
Herzlich willkommen in unserem Überwachungsstaat. Diese Art der Überwachung stellt in Bezug auf unsere Grundrechte einen klaren Rückschritt dar. Dagegen machen können wir wohl derzeit nichts, es sei denn der Europäische Gerichtshof wird sich dieser Methode annehmen und der grenzenlosen Überwachung eine Abfuhr erteilen. Dies ist abzuwarten. Das Bundesverfassungsgericht genehmigt damit jegliche Aufzeichnung und anschließende Identifizierung, wenn ein Anfangsverdacht besteht.
Der Anfangsverdacht ist aber so eine Sache. Wann besteht er und wann nicht. Das ist eine Entscheidung des Messbeamten, der seine Entscheidung letztendlich aber auch in einer Gerichtsverhandlung begründen muss. Sagt er dazu aus, dass der Anfangsverdacht auf Grund seiner Erfahrung bestand, dass jemand einen Abstand unterschritten habe und zu schnell gewesen sei, wird dies für eine Verurteilung sicherlich nicht ausreichen. Allein die Erfahrung begründet nämlich keinen Anfangsverdacht. Dieser kann nur z.B. durch die Bewegung des Fahrzeuges anhand z.B. der Fahrbahnmarkierungen oder aber durch ein geschultes Auge festgestellt werden. Kann der Messbeamte dazu nichts sagen und anhand der Videoaufzeichnung besteht die Vermutung, dass die Kamera ohne Anfangsverdacht lief oder sogar durchlief, darf eine solche Aufzeichnung in einem Gerichtsverfahren keine Verwertung finden. Es gilt in solchen Fällen also immer bevorzugt, sich das Video bzw. die Aufzeichnung genau anzusehen. Kommt der Verdacht auf, dass die Messung durchgängig lief und dass auch während dieser Messung eine Identifizierung des Fahrers möglich ist, sollten alle Alarmglocken angehen. Es gibt nämlich auch Messgeräte bei denen man durchgängig den Fahrer und das Kennzeichen im Nachhinein durch Vergrößern identifizieren kann.
Das Amtsgericht Prenzlau, Urteil vom 31.05.2010, Aktenzeichen 21 OWi 383 Js Owi 41493/09 hatte sich mit einer solch durchgängigen Messung mit einem Messgerät Leivtex XV 2 zu befassen. Der Messbeamte hatte keinen Anfangsverdacht festgestellt und trotzdem einfach die Aufzeichnung durchlaufen lassen. Das Gericht hielt dies für rechtlich nicht zulässig und sprach den Betroffenen frei. Ein folgerichtiges Urteil, das hoffentlich auch zukünftig bei anderen Gerichten Berücksichtigung findet, denn eine permanente Überwachung aller Bürger dürfen wir uns nicht gefallen lassen!
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