aus bma 1/11 von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen,, www.janschweers.de

Unter einem Unfall stellen wir uns zwei Fahrzeuge vor, die sich in irgendeiner Form berühren. Das muss jedoch nicht immer der Fall sein, denn es gibt auch Unfälle, bei denen es nicht zu einer Berührung kommt bzw. gekommen ist. Das sind die sogenannten berührungslosen Unfälle. Den Begriff hat jetzt unser Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 21.09.2010, Aktenzeichen VI ZR 263/09 geformt und musste sich entscheiden, wie die Haftung bei einem berührungslosen Unfall ist.

Der Entscheidung lag ein Motorradunfall zugrunde. Ein Motorradfahrer wollte mit seinem Bike außerhalb der geschlossenen Ortschaft zwei vor ihm fahrende Pkw überholen. Grundsätzlich stellt dies immer eine gefährliche Situation dar, da die Wahrscheinlichkeit, dass das direkt vor einem fahrende Fahrzeug auch zum Überholen ansetzt sehr groß ist.

So war es dann auch tragischerweise im entschiedenen Fall. Der Motorradfahrer setzte zum Überholen an und der direkte Vordermann entschloss sich ebenfalls dazu. Der Motorradfahrer setzte zu einer Notbremsung an, begann mit einem Ausweichmanöver und kam hierbei von der Fahrbahn ab. Zu einer Berührung zwischen dem Motorrad und dem Pkw kam es allerdings nicht. Der Motorradfahrer verlangte seinen materiellen- und immateriellen Schaden ersetzt.

Der Streit ging vor dem Landgericht, das eine Haftung von 50 zu 50 ausurteilte, los. Die Berufungsinstanz, das Oberlandesgericht, wies die Klage des Motorradfahrers vollumfänglich ab. Der Streit ging vor den Bundesgerichtshof und dieser wies das OLG in seine Schranken. Das OLG sehe die Grundvoraussetzungen einer Haftung viel zu eng. Entscheidend sei, dass die vom Motorradfahrer vorgenommene Ausweichreaktion nur dem überholenden Pkw gegolten habe und keinem anderen Hindernis. Der Geschädigte, hier der Motorradfahrer, muss lediglich nachweisen, dass das an­dere Fahrzeug das Unfallgeschehen irgendwie beeinflusst oder mitbeeinflusst hat und dass es der Grund für die Notbremsung oder das Ausweichmanöver war. Liegt eine solche Konstellation vor, besteht grundsätzlich eine Haftung. Es ist dann lediglich zu überprüfen, ob sich das überholende Fahrzeug, hier das Motorrad, wie ein Idealfahrer verhalten hat. Man wird aufklären müssen, ob der Fahrer in der Unfallsituation anders und besser hätte reagieren können.

Letztendlich ist diese Unfallkonstellation immer brisant. Ihr solltet nach dem Unfall auf die genaue Aufnahme der Unfallspuren, Endstellungen der Fahrzeuge und Feststellung der Zeugen achten, wenn ihr hierzu noch in der Lage seid. All dies kann dazu führen, dass Euch die Beweissituation erheblich erleichtert wird. Der Bundesgerichtshof hat mit diesem Urteil auf alle Fälle auch kundgegeben, dass er gegen Motorradfahrer, wie es bei einigen Gerichten offensichtlich noch der Fall ist, nichts auszusetzen hat.