Der Gedankengang von Lars zum Thema Überholen ist sicher für Autofahrer informativer. Schickt denen doch mal einen Link zu diesem Artikel, denn daran denke viele wohl nicht…
aus Kradblatt 9/15
von Lars Reineke
Warum Motorradfahrer sinnlos überholen
Twitter-Nutzerin @KeineHeilige twitterte neulich dies:

Ich habe mir daraufhin vermerkt, dass ich über diese scheinbar sinnlosen Überholvorgänge von Motorradfahrern nochmal was schreiben wollte, und weil das Wetter gerade wieder moppedfreundlicher wird (unter 30° Celsius), ich in Kürze neue Reifen bekomme und daher bald wieder häufiger mit dem Motorrad unterwegs sein werde, dachte ich mir, ich erkläre mal, warum Motorradfahrer so was machen.
Also: Als Autofahrer ist man ja Umwelteinflüssen nicht so sehr ausgesetzt. Regen bekommen die meisten noch irgendwie mit (man sieht nichts), Glatteis auch (man fährt geradeaus, obwohl man eigentlich abbiegen wollte). Völlig unbeeindruckt ist man als Autofahrer jedoch in der Regel von Wind – sofern er nicht heftig von der Seite weht. Vor allem Fahrtwind aber bemerkt man im Auto praktisch gar nicht.
Auf dem Motorrad ist Fahrtwind allerdings omnipräsent. Fährt man nicht gerade eine Tourenmaschine mit riesiger Frontscheibe, ist der Fahrtwind nach meiner Erfahrung wesentlich lauter als der eigene Motor, zumindest, solange man nicht heftig beschleunigt. Spätestens bei 70 – 80 km/h wird es durch den Fahrtwind also laut unterm Helm.
Das ist bei gleichmäßiger, ungehinderter Geradeausfahrt kein Problem. Der Fahrtwind wird zu einem Grundrauschen, das man ganz gut ignorieren und sich ansonsten auf die Straße konzentrieren kann.
Fährt man allerdings hinter einem PKW her, ändert sich das schlagartig. Hinter dem Auto kommt es zu deutlichen Verwirbelungen, die man auf dem Motorrad als starkes Rütteln wahrnimmt. Als Autofahrer muss man sich das so vorstellen, dass man erst die ganze Zeit gemütlich mit 110 km/h unterwegs ist, und plötzlich fängt jemand auf dem Rücksitz an, wie ein Geistesgestörter gegen den Fahrersitz zu treten. Das will man nicht.
Wie stark diese Verwirbelungen ausfallen, hängt von der Geschwindigkeit, aber auch von der Form des Autos ab. Ich habe dazu keine detaillierten Aufzeichnungen (weil das mit dem Notizen machen auf dem Motorrad nicht so gut funktioniert), aber meinen Beobachtungen zufolge sind die Wirbel umso stärker, je abrupter die Fahrzeugkarosserie endet. Besonders unruhig wird es also hinter Kombis, Transportern und Minivans. Es gibt bestimmte Automodelle, die mir als Motorradfahrer in dieser Hinsicht schon besonders unangenehm aufgefallen sind, dazu gehören unter anderem SUVs von BMW und Mercedes Benz.
Nun könnte man als Motorradfahrer natürlich auch einfach Abstand halten, das Problem ist jedoch, dass dieser Abstand sehr, sehr groß ausfallen müsste, um die Verwirbelungen des Fahrtwindes nicht mehr zu spüren, und dann passiert es unter Garantie, dass sich ein BMW-Kombi dazwischen setzt, und man ist genauso angeschissen wie vorher.
Hinzu kommt, dass man als Motorradfahrer wesentlich sicherer unterwegs ist, wenn vor einem kein Autofahrer plötzlich anhalten, abbiegen, die Sicht versperren oder Müll (gerne genommen: brennende Zigarettenkippen) aus dem Fenster werfen kann.
Und weil der Überholvorgang auf dem Mopped nicht wie beim Auto gefühlt Jahre dauert, sondern in der Regel in wenigen Sekunden erledigt ist, entscheiden sich viele Motorradfahrer dazu, auch Autos, die schon 100 oder 120 km/h schnell sind, mal eben zu überholen, um dann in der Tat mit derselben Geschwindigkeit vorauszufahren.
Das ist also in der Regel keine Ungeduld, sondern dient (meistens) der Verkehrssicherheit und tut – solange der Moppedfahrer sich nicht in jede noch so kleine Verkehrslücke drängelt – niemandem weh. (Außer natürlich etwas dem Ego des bereits mit 120 km/h fahrenden BMW-Kombi-Piloten).
Ich hoffe also, zur Klärung und damit zu etwas mehr Verständnis für uns Motorradfahrer beigetragen zu haben. Und ja, es gibt auch Arschlöcher unter uns.
Besucht Lars online in seinem Blog unter www.larsreineke.de, bei Twitter unter @larsreineke oder auf Facebook unter lars.reineke.
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Kommentare
12 Kommentare zu “Warum Motorradfahrer sinnlos überholen”
Jupp, genau das ist der Grund, warum ich mit meiner Kilo Gixxe ziemlich fix überhole. Was ich dabei dann in keinster Weise verstehen, dass es dann immer wieder irgendwelche vom Stolz zerfressende BMW oder Porschefahrer oder eben sonstige Ähnliche versuchen, sich ein Rennen mit mir zu liefern und mich dann zurück überholen wollen. Diese verzweifelten Versuche beende ich in der Regel mit einem leichten drehen am Hahn. Bitte lasst doch solcher Versuche in Zukunft sein, denn ihr gefährdet nur Euch und natürlich auch uns!
@Beeblebrox: Dieses „Überholverbot für Zweispurfahrzeuge“ wird signalisiert durch das Verkehrszeichen 276 nach StVO (Das mit dem roten PKW links neben dem schwarzen). Es schließt in der Tat nur zweispurige Fahrzeuge ein. Dazu gelten ebenfalls Motorräder mit Beiwagen. Uns „normale“ Biker betrifft dieses Schild nicht.
ABER: Eine durchgehende Mittellinie gilt für uns Motorradfahrer genauso wie für PKW. Meist treten beide Zeichen gemeinsam auf.
Sollte dir mal ein Überholverbotszeichen ohne durchgehende Mittellinie begegnen, darfst du als Biker überholen.
Allzeit gute Fahrt 8)
dlHzG
Naja, die Antwort auf diese besonders im Hinblick auf das Wort „sinnlos“ provokative Frage ist schnell und kurz gegeben:
„Weil sie es (meistens) können“! Und auch dürfen…
Was hier im Text irgendwie nach Entschuldigung klingt, ist real eine Mischung aus Spaß und Gestzen, denn soweit ich das mal gelernt habe, gilt sogar ein Überholverbot nur für Zweispurfahrzeuge (korrigiert mich bitte, wenn das nicht mehr stimmt).
Auf der anderen Seite: es ist wesentlich entspannender und sicherer auf der Landstraße mit 80km/h zu tuckern – möglicherweise auch als Alterserscheinung, aber in den letzten Jahren macht mir das immer mehr Spaß:
Tausche BMW RS100 gegen Diesel Enfield 🙂
Also echt, Leute. Neben allen technisch-physikalischen Erklärungsversuchen gibt’s doch auch noch die wahren Gründe, warum wir gerne überholen: 1. Es macht Spaß. 2. Wir können es (bauartbedingt) einfach tun.
Was sollen diese Erklärungsversuche abseits der wirklichen Hintergründe? Ob, wann und wo wir überholen hängt doch in erster Linie vom Verantwortungsbewusstsein gegenüber unseren Mitmenschen und uns selbst und der realistischen Selbsteinschätzung unseres Fahrkönnens ab. Andere Kriterien sollte es nicht geben. Oder?
Also ich habe nach dem Artikel in den letzten Tagen mal verstärkt drauf geachtet, warum ich überhole auch wenn die Geschwindigkeit eigentlich ok ist. Es sind in der tat nur diese beiden Punkte: Luftverwirbelungen und freie Sicht auf die Umgebung. Nach dem Überholen fahre ich meistens das gleiche Tempo wie die Autos, bin dabei aber entspannter. Aber wann hinterfragt man denn schon mal, warum man was tut. Danke für den Artikel 🙂
Also ich bin in 30 Jahren schon mit verschiedensten Motorrädern hinter Autos her gefahren. Das Argument, unerträgliche Luftverwirbelungen zwingen praktisch zum Überholen, ist meiner Meinung nach lächerlich und nur ein vorgeschobener Vorwand. Auch ich als Motorradfahrer werde standardmäßig meist unverzüglich und teilweise wenig rücksichtsvoll überholt, wenn ich mich an bestehende Tempolimits halte. Da erzähle mir bitte niemand das Märchen von Luftverwirbelungen! Das ist wirklich lachhaft, bei 80-100 km/h. Der Grund für zwanghaftes Überholen liegt meiner Ansicht nach im Auskosten-Wollen des Gefühls der leistungsmäßigen Überlegenheit und im Spass an teilweise unangebrachter oder riskanter, sportlicher Fahrweise. Da möchte ich mich hier ausdrücklich auch nicht gänzlich in allen Situationen davon ausschließen 🙄
Zu den o.g. Gründen, warum Motorradtfahrer PKW´s überholen, möchte ich noch einen weiteren hinzufügen. In der Regel fahren die meisten PKW-Fahrer die Kurven langsamer, als wir Motorradfahrer. D.h. gerade der Kurvenspass wird uns Motorradfahrer durch vorrausfahrende PKW´s genommen. Daher überhole ich PKW´s öfter mal, nur um die nächste Kurve auch mit „meiner“ Geschwindigkeit fahren zu können. Natürlich StVo.konform 🙂
DlHzG
CB_Micha
Gut das der Werte Lars im Ende seines Beitrages auf mitstreiter wie den guten Grafen hingewiesen hat 😆
Na klar ist ein Unterschied bei verschiedenen Motorrädern zu merken allerdings hat mich wesentlich mehr gewundert wie groß die Unterschiede bei Helmen sind.
Von vorher shark s900 zu jetzt shoei ist wie Tag und Nacht!!!
zu den Kommentaren 1,2 u.3 kann ich einfach nur sagen, das es an den Bauweisen der Maschinen liegt wie die sich verhalten, Die Harley`s sind eben wie andere Chopper u. Chruser niedriger gebaut als die Rennsemmeln und Tourer, auch die Sitzposition und somit die Kopfhaltung ist doch völlig unterschiedlich.darüber solltet Ihr Euch mal Gedanken machen.
Bei der Harley sitze ich doch aufrecht und bequem bei jeder Geschwindigkeit, abgesehen von den Ausnahmen wenn ich den Hahn richtig aufdrehe vielleicht. Bei der Rennsemmel hingegen fängt das Fahren doch erst entspannt bei etwa 110 Km/h an, da ich mich sonnst auf dem Lenker abstütze, hier muß mich der Fahrtwind zur Entlastung des Körpers hoch drücken, und genau da ist doch das Problem, in dem Moment wo mein Körper entlastet ist, werden die Verwirbelungen hinter einem anderem Fahrzeug unangenehm, daher bleibt die Harley bis auf wenige Situationen hinter dem Vorausfahrendem wärend der mit dem Sportler garantiert überholt.
Zu Señor Graf
Ist doch klar dass man auf so nem Schweineeimer nix mitbekommt. Fahr mal was richtiges dann behältst du auch deine Ach so tollen Ermahnungen für dich.
Ich denke jeder der Motorrad fährt weiß um die Gefahren.
Der rüttelnde Fahrtwind ist sehr wohl eines der größeren Probleme bei der Landstraßenhatz.
Kurz zu der Frage, bei welchem Hobel das passiert…
Ich habe eine CBR 1100xx und eine zx12r. Bin ich unter 50 Meter an einem Auto fängt es an richtig ungemütlich zu werden. Dann zieht und zerrt es am Helm.
Gehe ich über 50 Meter raus, werde ich meist überholt und bin wieder unter 50 Meter hinter d Auto.
Ein Teufelskreis.
Hallo Lars,
ich frag mich mit welchem Bock Du unterwegs bist, wenn der durch Luftwirbel so dermassen geschüttelt wird, dass Dir das unangenehm wird? Ich kann das absolut nicht bestätigen. Ich fahre zwei Harleys, eine 2014er FXDF Fat Bob, und eine 2010er XR1200X Sportster. Ich liebe beide Maschinen, denn sie machen tierischen Spass, und liegen satt und sicher auf der Strasse. Ich überhole nur dann, wenn der Verkehr nicht zügig läuft weil wieder „irgend so ein Penner“ den ganzen Betrieb aufhält, oder weil irgendwas Grosses langsam fährt, wie z.B. ein Bus, Traktor, Lkw. Aber wenn der Verkehr zügig läuft, halte ich Sicherheitsabstand. Oft darf man doch gar nicht überholen, weil Überholverbot ist, da muss man sowieso hinter irgend jemanden bleiben. Und ich überhole nunmal nicht, wenn’s nicht erlaubt ist, denn diese Sicherheitslinien haben bekanntlich ihren Sinn, und heiss nicht umsonst Sicherheitslinie. Wenn man so nahe hintendrauf fährt, ist es klar dass man in die Schleppwirbel eines Fahrzeugs gerät, und das ist definitiv leichsinnig und gefährlich, nicht wegen der Wirbel, sondern wegen des kaum vorhandenen Sicherheitsabstandes. Wie soll man denn da reagieren können? Hat Dir noch nie jemand gesagt, je weiter Du von nem Lkw weg bleibst, desto besser kannst Du am Lkw vorbei blicken, oder ggfls auf Kuppen drunter durch, um zu sehen was vor Dir passiert? Dann kriegste auch mit wenn der Lkw auf einmal bremsen muss. Man nennt das auch „vorausschauende Fahrweise“ und ist für uns Motorradfahrer überlebenswichtig. Und mal ehrlich, auch wenn es juckt am Gashahn zu drehen, aber auch die erlaubten Höchstgeschwindigkeiten haben ihren Sinn, und der liegt darin dass möglichst jeder Verkehrsteilnehmer sicher an seinem Ziel ankommt, auch die Autofahrer, oder Dosenjockeys, bzw.Käfigreiter. Die Tatsache dass ich mich weitestgehend an die StVo halte, hat mir schon so oft das Leben gerettet. Letztes Jahr im November sogar zweimal an einem Tag. Ich muss nicht jeden überholen der vor mir fährt, und komme lieber mit Verspätung an meinem Ziel an, dafür aber sicher. Ich will Dir dazu noch ne Anekdote erzählen, die erst vor einer knappen Woche passierte. Genau am 28.8. dieses Jahres. Da war ich auch ungeduldig, wollte unbedingt an einem Bus vorbei als ich auf dem Weg zur Arbeit war, denn ich war spät dran. Das Wetter war perfekt an dem Tag. Und dann fuhr dieser scheiss Bus aus ner Haltestelle hier im Nachbarort vor mir raus. Durch die Kurven die dann kommen fährt der langsamer als ich, also wollte ich vorbei. Aber auf dem einzigen geraden Stück kam Gegenverkehr, und ich musst etwas warten. Ich sah weit bis in die nächste, langezogene Rechtskurve, dachte das reicht locker um vorbei zu kommen, drehte am Gas und…. oh Shit, da kam dann doch einer. Ein silbergrauer SUV kam mir entgegen gerade als ich in der Mitte des Busses war. Da kam dann der Moment wo ich entscheiden musste weiter am Gashahn zu drehen, und vielleicht noch ganz knapp vorbei zu kommen, oder den Überholvorgang abbrechen, und wieder hinter dem Bus einscheren. Ich entschied mich für Abbrechen, denn vor meinem geistigen Auge sah ich mich schon frontal in den SUV krachen, drüber weg fliegen, auf der Strasse sterben….. Und diese Entscheidung war richtig, denn ich lebe noch! Ich habe Familie, und meine Familie braucht mich. Ich würde hier ein riesiges Loch hinterlassen, wenn ich jetzt schon nen Abgang machen würde. Zwei Tage später wurde mir das ganz besonders bewusst. Denn am vergangenen Montag war hier in Luxemburg die alljährliche „Braderie“ ein Strassenausverfkauf wo die Geschäftsleute die Lager räumen und auf der Strasse billig verkaufen. Am Vortag waren auch die Einkaufszentren offen, und ich hatte meinen Töchtern versprochen, dass wir an dem Tag ihre neuen Computer kaufen gehen, um vielleicht ein Schnäppchen zu machen, denn sie brauchen die Computer dringend für Schule und Studium. Wir waren also alle vier unterwegs, zusammen mit dem Freund unserer Grossen. Wir hatten einen wunderschönen Familientag, haben wirklich Geld sparen können auf der Elektronik, waren allesamt schön zusammen essen, hatten viel Spass. Abends habe ich meiner Jüngsten ihren neuen Windows-Laptop eingerichtet, und als das geschafft war, war das Kind unheimlich glücklich. Wenn ich am 28. gestorben wäre, dann wäre all das nicht gewesen. Dann wäre meine Familie zerstört, und meine Freunde hätten mich auch nicht mehr. Ich muss ehrlich sagen, mir kamen die Tränen als meine glücklichen Kinder sah, und meine glückliche Frau, und ich an den Bus denken musste. Nein, ich muss nun wirklich nicht jeden überholen, denn es ist wichtiger, dass ich lebe.
Pass auf Dich auf! Ich wünsche Dir allzeit sichere Fahrt und immer ne Handbreit Asphalt unter’m Gummi. DLzG 😉