aus bma 6/00

von Günter Pfeifer

Nicht einmal die farbstrotzenden Grafiken des Malers Klaus Fußmann können mit der tatsächlichen Farbenpracht der schleswig-holsteinischen Landschaft im Frühling konkurrieren. Das Erwachen der Natur in all ihrer Farbenvielfalt, vom leuchtend knalligenYamaha V-Max mit Sauer Sonnenwind Gelb der weiten Rapsfelder bis hin zum zarten Grün der ersten Buchenblätter, wird uns eindrucksvoll durch die ständig wechselnden Landschaftsbilder gezeigt. Was kann es also Schöneres geben, als mit einem Motorradgespann in dieser Jahreszeit unterwegs zu sein. Und es ist ein Gespann der besonderen Art, das Peter Sauer aus Brodersby und sein Team konstruiert haben. Ein Gespann, bei dessen Entwicklung eindeutig das Verlangen nach purem Fahrspaß im Vordergrund gestanden hat, wenngleich Seitenwagen und Zugmaschine kaum verschiedener sein könnten.
Der Wing-Super-Sport Seitenwagen besticht in seiner weichen und schlanken Linienführung durch besondere Eleganz. Das Kunststoffboot ist nicht lackiert, sondern im RAL-Farbton eingefärbt. Der Innenraum des Zweisitzers ist kunststoffbeschichtet und mit Teppich ausgelegt.

Die körpergerechten und bequemen Sitze sind zweifarbig und verfügen über Sicherheitsgurte. Die Sitzposition ist bequem und auch bei Zweipersonenbetrieb ist im Fußraum aus- reichend Platz vorhanden. Der Einbau eines Radios oder von Zusatzinstrumenten ist möglich.

Yamaha V-Max mit Sauer Sonnenwind Einen leichten Ein- bzw. Ausstieg ermöglicht die große klappbare Tür. Sie wird durch einen Dämpfer in offener Stellung gehalten und ist im geschlossenen Zustand verriegelt. Eine kleine, aber dennoch sehr wirkungsvolle Frontscheibe schützt die Passagiere vor Wind und Wetter. Der Bug-spoiler wird durch eine Gummileiste vor Beschädigungen geschützt. Da er nur wenige Zentimeter Bodenfreiheit hat, ist trotzdem Vorsicht geboten. Der große Kofferraum ist wasserdicht verschließbar. Auf dem Kofferraumdeckel befindet sich ein Spoiler, der an der Unterseite eine Zusatzbremsleuchte trägt. Auf Kundenwunsch kann hier auch ein Kofferträger montiert werden. An der Innenseite der Kofferraumklappe sitzt ein Verbandskasten in seiner Halterung. Insgesamt ist der Wing-Seitenwagen qualitativ sehr hochwertig und ausgesprochen sauber verarbeitet. Schrauben und Muttern haben V4A-Qualität und sind mit Schutzkappen versehen. Spaltmaße, Passgenauigkeit, Oberflächenoptik und Detailverarbeitung stimmen.
Über vier Festpunkte, zwei obere und zwei untere, ist das Schräglenker-Langschwingenfahrwerk des Wing-Super-Sport-Seitenwagens mit der Zugmaschine verbunden. An den Verbindungspunkten verwendet Peter Sauer seine vibrationsdämpfenden Federstreben mit Silentbuchsen. Konstruktiv bedingte Bohrungen für Bolzen und Streben werden durch Gummiformteile oder Faltenbälge verdeckt. Das Bilstein-Federbein am Seitenwagen ist mit einer externen Federvorspanneinrichtung versehen. Das Bedienelement befindet sich zwischen Zugfahrzeug und Seitenwagen und ist gut zu erreichen.
Ohne das Raumangebot des Seitenwagens zu beeinträchtigen, befindet sich an seiner Unterseite ein von Peter Sauer gefertigter Zusatztank aus geschweißten 3mm-Alublechen mit einem Inhalt von 25 Litern. Um zu verhindern, dass Benzindämpfe in den Seitenwagen gelangen können, wird dieser Tank von außen befüllt. Bei der Konstruktion wurde darauf geachtet, dass keine benzinführenden Leitungen durch den Passagier- bzw. Kofferraum führen. Der Fahrer kann nun wahlweise über einen Kippschalter mit Kraftstoff aus dem Haupt- oder aus dem Zusatztank fahren. Vom Zusatztank wird der Kraftstoff über eine Benzinpumpe direkt zu den Vergasern geführt. Damit verfügt das Gespann über eine Kraftstoffmenge von insgesamt 40 Litern; diese Menge dürfte den Aktionsradius, je nach Fahrweise, auf ca. 400 km erweitern.
Die geradezu martialisch wirkende Vmax setzten Peter Sauer und sein Team als Zugmaschine ein. Ver-lockend waren dabei sicher die 1200ccm Hubraum und die gewaltige Leistung von 145 PS in Verbindung mit einem Kardanantrieb. Um es gleich vorweg zu nehmen, die Vmax sieht nur so kriegerisch aus, sie ist ein Motorrad wie viele andere auch, nur eventuell sogar etwas besser. Als sie 1985 auf dem Markt erschien, war sie das Monster-Bike, ein gummimordendes Show-Motorrad. Damals waren 145 PS der pure Wahnsinn. Heute und nachdem weit höhere PS-Zahlen salonfähig geworden sind, denkt man anders darüber. Die Vmax ist geblieben, was sie war: der böse Bube unter den Streetfightern.
Yamaha V-Max mit Sauer Sonnenwind
Doch sie ist nun mal ein Blender. Die riesigen und in ihrem Aussehen dominierenden Lufthutzen lassen auf ein gewaltiges Ram-Air System schließen, doch nichts, nur optisches Blendwerk. Auch der Tank entpuppt sich beim näheren Hinsehen als Luftfilterkasten. Der echte Kraftstoffbehälter befindet sich im Heck der Maschine. Den Tankdeckel wird man zunächst vergeblich suchen, denn er wird erst nach Betätigung von zwei Zughebeln, die dann das hintere Fahrersitzpolster nach vorn öffnen, sichtbar. Auch eine Startautomatik er- wartet man vergeblich. Schön fummelig, aber gut dosierbar sitzt der Chokehebel linksseitig am Vergaser.
Das Cockpit wirkt ausgesprochen nüchtern, ohne jedoch zu langweilen. Direkt im Blickfeld des Fahrers sitzt der recht große Tachometer. Darunter, unterhalb des Lenkers auf dem Tank, befinden sich die Anzeigegeräte für Motortemperatur und Drehzahlmesser, alle Instrumente im weißen Classic-Look und gut ablesbar. Daneben die üblichen Anzeigeleuchten. Schalter und Bedienungseinrichtungen befinden sich dort, wo man sie vermutet und entsprechen heutigem Qualitätsstandard. Lediglich Zündschloss und abschließbare Steuerkopfarretierung sind gewöhnungsbedürftig.

Der gewaltige Vierzylinder 70 Grad-V-Motor ist bei der Maschine absoluter Blickfang. Man hat den Eindruck, das Ding besteht nur aus Motor mit Rädern. Er ist wassergekühlt und zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen betä- tigen über Tassenstößel je vier Ventile pro Zylinder. Zur Beatmung dienen vier Mikuni-Gleichdruckvergaser. Ein besonderer technischer Leckerbissen ist das V-Boost-System. Ein Stellmotor betätigt Drosselklappen zwischen den Ansaugkanälen der vorderen und hinteren Zylinder ab ca. 6000 U/min, deutlich spürbar durch das Einsetzen von enormer Schubkraft. Die Nennleistung des Motors liegt bei 107 kW (145 PS) und 8700 U/min. Das maximale Drehmoment beträgt 12,4 kpm (122Nm) bei 7500 U/min. Im Kraftschluss zum Hinterrad befinden sich die Mehrscheiben-Ölbad-Kupplung, klauengeschaltetes Fünfganggetriebe und Kardanwelle. Der Primärantrieb erfolgt über Zahnräder.
Die Telegabel musste für den Seitenwagenbetrieb einer geschobenen, einstellbaren Sauer-Schwinge weichen. Zwei Bilstein-Federbeine sorgen in diesem Bereich für Dämpfung und Federungskomfort. Auch die Hinterradschwinge wird von zwei Bilstein-Federbeinen geführt.
Yamaha V-Max mit Sauer Sonnenwind
Besonderes Lob verdient die Bremsanlage. Hier verwendet Peter Sauer ein von ihm entwickeltes und perfektioniertes Integralbremssystem. Mit der Fußbremse werden alle drei Räder verzögert. Am Vorderrad arbeitet eine Bremsscheibe mit zwei separat angesteuerten Vierkolbenzangen. Bei der Benutzung der Handbremse werden nun Vorderrad und Seitenwagenrad abgebremst. Mit diesem Bremssystem für Motorradgespanne setzt Peter Sauer Maßstäbe in Bezug auf Bremswirkung und Dosierbarkeit. Die Anlage erfüllt die Normen der EU-Richtlinie 78. Als weitere Neuheit verfügt das Gespann über eine Feststellbremse. Optisch sehr ansprechend sind auch die LM-Räder. Dabei erweist sich der Griff ins Automobilregal beim Reifenhändler als sehr schonend fürs eigene Portemonnaie.
Die echten Tugenden des schönen Motorradgespannes zeigen sich naturgemäß erst im Fahrbetrieb. Der freundliche Herr Kaletta, die rechte Hand vom Chef, hatte mich auf dem Motorradmarkt zu Ostern in Husum, wo das Gespann mehre Tage als Show-Bike bestaunt werden konnte, in die Besonderheiten eingewiesen. Vor allem auf die sagenhafte Bodenfreiheit von wenigen Zentimetern. Nach der Messe stand mir das Gespann zur Verfügung. Und „Mad Max” zeigte mir schon beim Verlassen der Halle, wie er sich die weitere Zusammenarbeit vorstellte.
Zündschloss suchen und finden, gleiches beim Choke. Druck aufs Knöpfchen und schon ist echter Sound da. Ob es nun meine unsensible Gashand war, der glatte Hallenboden oder die losgelassenen 145 Pferde, auf jeden Fall war plötzlich ein dicker schwarzer Strich auf dem lackierten Flur. Dabei war der finstere Blick des Hallenmeisters verfrüht, seine Hallenboden-Waschmaschine ist besser als er dachte. Er spricht wieder mit mir.
Ich verlasse Husum bei strahlendem Sonnenschein und fahre auf der B5 nach Norden. Das Fahrverhalten erweist sich als außerordentlich handlich und schon nach kurzer Zeit stellt sich ein sicheres Fahrgefühl ein. Man sitzt aufrecht und entspannt und schon jetzt ist sicher, mit diesem Gespann sind auch lange Urlaubstouren möglich. Natürlich ist das Fahrzeug sportlich abgestimmt und man erfährt recht schnell, wie die Straße unter den Rädern beschaffen ist. Starkes Einfedern wäre bei der geringen Bodenfreiheit auch nicht möglich. Zielgenau und spurtreu folgt die Maschine allen Lenkeingaben. Das Getriebe lässt sich sportlich schnell und exakt schalten. Und es ist gut, dass die Tachoanzeige gut sichtbar ist, denn man fährt fast immer zu schnell. Selbstdiziplin ist angesagt. Überholmanöver sind bei der Motorleistung und dem guten Fahrverhalten kein Problem. Die Vmax hat ungeahnte Kraftreserven im Keller. Diese erleichtern das Fahren ungemein, denn es macht ein Zurückschalten oft überflüssig und man fährt durch die meisten Kurven nur mit der Gashand, durch Verzögern bzw. Beschleunigen. Die bereits erwähnten guten Bremsen werden mit der kinetischen Energie spielend fertig und tun ein Übriges zur Fahrsicherheit.
Hinter Bredstedt verlasse ich die B5 und fahre durch die Deichlandschaft der Nordseeküste über Dagebüll bis Niebüll. Für Naturfreunde ist diese Strecke ein Erlebnis. Immer wieder ist man versucht anzuhalten, um die Vögel zu beobachten. Das Lenken des Gespannes, auch in engeren Kurven, ist eine Spielerei und ohne jeden unnötigen Kraftaufwand möglich. In Niebüll ist Tanken angesagt und bei der Einfahrt zur Tankstelle spielt die Bodenfreiheit wieder eine Rolle. Ein deutlich hörbares Kratzgeräusch sagt mir: „Jetzt hast Du das Ding aufgesetzt”. In Kenntnis dieser Gefahr hat Peter Sauer bereits ein starkes Formblech unter dem Motor angebracht. Dieses ist sehr sinnvoll, um größere Schäden an der Motorunterseite zu vermeiden.
Im dichten Verkehr auf der B199 in Richtung Flensburg fühlt sich die Vmax pudelwohl und es macht Spaß, damit unterwegs zu sein. Auf der A7 ist dann auch eine schnellere Gangart möglich. Nun kann der extrem starke Motor seine ganze Kraft zur Entfaltung bringen. Sofort beim Öffnen der Drosselklappen setzt eine gewaltige Schubkraft ein und treibt das Gespann nach vorn. Ruckfrei und mit gleichbleibender Beschleunigung wird die 200km/h-Marke erreicht. Die kleine, am Lenker montierte Frontscheibe kann den Winddruck nur unzureichend bremsen und so beginnen die Arme am breiten Lenker immer länger zu werden. Der Vorderreifen führt auch bei dieser hohen Geschwindigkeit noch sehr präzise, und von Spurrillen lässt sich das Gespann nicht beeindrucken. Ein Lenkungsdämpfer würde ohnehin ein Flattern verhindern. Ich fahre noch einige Kilometer mit Geschwindigkeiten über 200 km/h, das Gespann liegt dabei wie ein Brett auf der Straße, dann zwingt mich der Verkehr, den Gashahn wieder zu schließen.
Trotz sportlichem Gesamtkonzept macht das Vmax/Wing-Super-Sport Gespann einen rundherum soliden Eindruck. Es ist für den großen Urlaub ebenso geeignet wie für den Trip am Wochenende. Und wenn in der Gespannwerbung zu lesen ist: „Gespannfahren macht süchtig”, dann gilt dies hier in besonderem Maße.
Der Preis des Gespannes liegt bei ca. 62.500 DM. Er ist jedoch stark von der gewünschten Ausstattung abhängig. Hier kann nur ein Gespräch mit dem Hersteller Peter Sauer, Ellerüher Weg 2-4, 24398 Brodersby, Tel.: 04644/893 letzte Klarheit schaffen.