aus bma 09/03

von Dietmar Scholz

Yamaha XT 500Nachdem ich meine „Motorradfahrer-Karriere” 1975 mit dem Führerschein der Klasse 4 und einem Hercules MK4 Mokick (das sich dank Sachs-Motor prächtig frisieren ließ) begann, folgte im Dezember 1977 der Führerschein der Klasse Eins und im Januar 1978 wurde das Erste „richtige Motorrad” gekauft: eine Yamaha RD 200. Nach vielen Kilometern auf vielen Modellen war es dann soweit, als im April 1989 eine XT 500, Baujahr 1981, für 1400 DM in meinen Besitz wechselte.
Das Start-Ritual war das gleiche wie bei der Schwester, der SR, aber das Handling ist durch die andere Fahrwerksgeometrie grundlegend anders. Auch die Leistungsentfaltung ist nicht vergleichbar, die XT dreht wesentlich schneller hoch, ist aber durch die kürzere Übersetzung schon bei ca. 130 km/h am Ende. Ein Umstand, der den Fahrer aber kaum stören dürfte, da man bei der endurotypischen Sitzhaltung höhere Geschwindigkeiten ohnehin nicht lange aushält.
Im Laufe der Zeit musste die XT einige Veränderungen über sich ergehen lassen. Als erste Maßnahme musste der Originaltank einem Kunststoffmodell mit 15,5 Litern Inhalt weichen, die Serienblinker wurden durch „Ochsenaugen” ersetzt und der durchgerostete Yamaha-Auspuff wurde gegen einen Auspuff der Firma Sito getauscht. Der zwischenzeitlich stark angerostete Chromlenker wurde durch ein lackiertes Modell von Tomaselli ersetzt. Die Sitzbank musste zweimal aufgepolstert und neu bezogen werden und auch die Original-Kotflügel hielten den Vibrationen nicht ewig stand und wurden gegen Ersatzteile von Acerbis ausgetauscht. Für kleinere Touren wurden auch mal Koffer der Marke „Baumarkt” montiert, was sich aber nicht bewährt hat (Verschlüsse und Scharniere zerlegen sich binnen kurzer Zeit und dann helfen nur noch stabile Riemen). Ansonsten erweist sich die XT als recht anspruchslos und außer regelmäßiger Kettenpflege sowie Öl- und Filterwechsel verlangt sie nicht viel Aufmerksamkeit von ihrem Fahrer.

 

Yamaha XT 500Die Modelle vor Baujahr 1986 mussten noch mit einer 6-Volt-Elektrik auskommen, was Nachtfahrten einen Hauch von Abenteuer verlieh und dazu führte, dass man den Menschen, die an einer Ampel hinter einem warteten, viel Freude bereitete, wenn das Bremslicht im Takt der nicht erkennbaren Blinker aufleuchtet, aber leider die angestrebte Richtungsänderung nicht anzeigte. Auch die Verwendung der Ochsenaugen hat diesen Zustand nicht nachhaltig verbessert.
Aber was sind schon solche Kleinigkeiten, wenn man sich über einen Motor freuen kann, der einen ab Leerlaufdrehzahl von ca. 1200U/min bis zum Beginn des roten Bereichs auf dem Drehzahlmesser (6500U/min) ohne Leistungsloch nach vorne schiebt und der es einem ermöglicht, bei 30 km/h in den fünften Gang zu schalten und bis zum nächsten Halt in diesem Gang zu bleiben.
Das Starten des kalten Motors ist selbst nach wochenlangen Standzeiten kein Problem: Zündung an – Benzinhahn auf – Chokehebel drücken – Totpunkt suchen – und beherzt kicken. Spätestens nach dem zweiten Tritt springt der Motor an. Auch der Start des warmen Motors ist kein Problem, hier hilft der „Warmstartknopf”, eine Mechanik, die den Gasschieber ein wenig anhebt (bloß nicht am Gasgriff drehen!). Abenteuerlich kann sich der Start des halbwarmen Motors gestalten; wenn man jetzt Pech hat und der Motor nicht nach dem zweiten Versuch läuft, besteht eigentlich keine Chance mehr ihn zu starten, da er dann in der Regel abgesoffen ist. Ich empfehle für diese Fälle immer einen Kerzenschlüssel, einen Lappen und eine kleine Messingdrahtbürste mitzuführen um die nasse Zündkerze zu trocknen und es dann bei geschlossenem Benzinhahn erneut zu probieren.
Apropos Zündung, auch wenn sich die XT als recht anspruchslos erwiesen hat, der Zündzeitpunkt sollte öfters kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert werden. Sollte die Zündung des Benzin-Luftgemisches zu früh erfolgen tritt der Einzylinder erbarmungslos zurück. Sollte der Zündfunke zu spät produziert werden kann die Startprozedur schon mal den Gang ins Sportstudio ersparen. Der Durst des Einzylinders hält sich mit vier bis fünf Litern Super-Bleifrei auf 100 Kilometer in Grenzen und Ölverbrauch ist bis dahin nicht messbar.
Die Bremsen: Die hintere Bremse ist jederzeit und auf jedem Untergrund in der Lage das Hinterrad zum Blockieren zu bringen, was aber nichts nützt. Die vordere Bremse ist mit einem Wort zu beschreiben – erbärmlich. Mit der vorderen Bremse ist es unmöglich das Rad, egal bei welcher Geschwindigkeit und egal auf welchem Untergrund, zu blockieren (vielleicht eine frühe Form von ABS). Merkwürdigerweise gewöhnt man sich daran und irgendwie geht’s dann auch.
Das Fahrwerk ist doch eher für die Straße konzipiert als fürs Gelände. Aber kleine Abstecher über Schotter und Feldwege sind allemal drin und 195 mm Federweg vorn und 160 mm hinten erlauben es auch mal ein Stück unbefestigten Weges hinter sich zu bringen. Der Einsatzort, wo die XT am meisten Spaß bereitet, ist aber in der Stadt und auf Landstraßen. Hier kommen das sehr gute Handling und die unglaubliche Wendigkeit voll zur Geltung und die doch recht geringe Höchstgeschwindigkeit macht sich nicht nachteilig bemerkbar, zumal Durchzug und Beschleunigung den stärkeren Bikes kaum nachstehen.
XT 500 gestripptErstaunlich ist die Verwindungsfestigkeit der Telegabel mit ihren nur 34 mm messenden Standrohren. Der Rahmen ist ausreichend stabil und den auftretenden Kräften allemal gewachsen. Die Verarbeitung ist allerdings eher mäßig, was die Qualität von Lackierung und Schweißnähten angeht. Als überdurchschnittlich für das Ende der 70er-Jahre dürfte aber die Verwendung von Kegelrollenlagern im Lenkkopf und Nadellagern für die Schwinge gelten. Soziusbetrieb sollte man in Anbetracht der kurzen Sitzbank, den Soziusfußrasten an der Schwinge und einer maximalen Zuladung von 169 Kilogramm (inkl. Öl und Benzin) nicht ernsthaft in Erwägung ziehen.
Nachdem die XT im Herbst 2001 im zarten Alter von 20 Jahren die 50.000-Kilometer-Marke problemlos überschritten hat, wollte ich die Winterzeit nutzen und eine umfassende Renovierung nebst Umrüstung auf 12-Volt durchführen. Ich begann das Mopped zu zerlegen und erst mal alle Teile gründlich zu säubern und zu entrosten.
Irgendwann gefiel mir das bislang vorherrschende Rot nicht mehr und in mir reifte der Entschluss, dass schwarz-silber die ultimative Farbkombination sei. Alle zu lackierenden Teile wurden gespachtelt, geschliffen, grundiert und neu lackiert. Die Chrom und Alu-Teile wurden gereinigt und poliert, wenn nötig durch Neuteile ersetzt. Diese Arbeiten zogen sich doch viel länger hin als geplant und zwischenzeitlich war das Jahr 2002 fast um. Zwischen Weihnachten und Silvester begann ich die Renovierung voranzutreiben und im Januar 2003 hat’s mich gepackt: Ich verbrachte fast täglich nach Feierabend einige Stunden in der Garage und die XT bekam langsam wieder ein Gesicht. Während die Arbeiten vorangingen kamen mir ständig neue Ideen, was noch alles geändert werden könnte. Ich versuchte mich auf das Notwendige zu konzentrieren, aber irgendwie wurde auch vieles verändert, was technisch völlig unnötig und vielleicht auch unsinnig war. So vermischten sich die nötigen Instandsetzungsarbeiten mit den unnötigen, aber (subjektiv) attraktiven Veränderungen.
Es wurden die teilweise angerosteten Speichen im Hinterrad durch neue ersetzt. Wie ich das geschafft habe ist mir bis heute völlig unklar und ich bezweifele, dass mir so eine Umspeichaktion ein zweites Mal gelingt.
Es folgte die Renovierung des Motors: Der Zylinder wurde zerlegt, die Ventile eingeschliffen und die Ventilsteuerung auf ihren Zustand hin überprüft. Zylinderfuß- und Kopfdichtung, die Ventileinstelldeckeldich- tungen, als auch die Dichtungen am Ansaug- und Krümmerflansch wurden erneuert. Ventilspiel und Steuerkettenspannung wurden eingestellt. Die Zündkontakte wurden erneuert, der Zündzeitpunkt eingestellt und die Gehäusedichtungen ausgewechselt. Nach diesen Maßnahmen wurde der Motor glasperlgestrahlt und anschließend klar lackiert.
Die Kipphebelwellen erhielten eine doppelte Direktschmierung spendiert und das „Kochen” des Benzins in der Schwimmerkammer sollte durch ein Wärmeableitblech zwischen Zylinder und Vergaser verhindert werden.
Die geplante Umstellung der Elektrik auf 12-Volt habe ich auch durchgeführt – inklusive H4-Scheinwerfer. Obwohl der Umrüstsatz der Firma Wunderlich einwandfrei passt und der Einbau problemlos ist, ergab sich eine Schwierigkeit: Die allgemeine Stromspannung wird zwar auf 12-Volt erhöht, aber die Leistung der Lichtmaschine bleibt bei bescheidenen 63 Watt, was zur Folge hat, dass die elektrische Anlage mit einer normalen H4-Lampe völlig überfordert ist und H4-Lampen mit 35 Watt nur sehr schwer erhältlich und sehr teuer sind. Trotzdem ist die Umrüstung empfehlenswert. Das H4-Licht ist einfach besser und 12-Volt-Glühlampen sind heutzutage eher zu bekommen als die Exemplare mit 6-Volt. Da der gesamte Lichtstromkreis jetzt über die Batterie läuft, kann man auch ein elektronisches Blinkrelais verwenden, das die Blinkfrequenz drehzahlunabhängig konstant hält und auch die Stärke der Beleuchtung ist nicht mehr von der Motordrehzahl abhängig.
Im Laufe des Um- und Zusammenbaus sind nahezu alle Schrauben durch Inbusschrauben aus VA ersetzt worden. CockpitKette, Kettenrad und Ritzel wurden erneuert, sowie alle Bowdenzüge und ein Großteil der Verkabelung.
Auspuff und Krümmer wurden gründlich gereinigt, entrostet und lackiert, der hintere Wärmeschutz durch ein poliertes Alu-Blech ersetzt.
Der Originalkettenschutz wurde durch ein modifiziertes Teil einer Suzuki GS 500 ersetzt. Die Kotflügel stammen aus der Super Moto-Ecke, ein Rechteck-Scheinwerfer unbekannter Herkunft verband sich mit einer Lampenmaske aus dem Ge- brauchtteilelager und die Yamaha-Instrumente wichen einem digitalen Fahrradtacho. Der rot lackierte Tomaselli-Lenker wurde durch ein schwarzes Modell desselben Herstellers ersetzt. Der 15,5 Liter fassende Plastiktank wurde entfernt, und die Suche nach einem Original-Tank begann. Leider war kein Tank aus dem Jahr 1981 (der mit den polierten Seiten) aufzutreiben. Bei ebay fand sich aber ein beulenfreier Tank aus dem Jahre 1979, der sich nach dem Entfernen der Lackschicht als nicht polierfähig erwies. Nach erneuter, wieder erfolgloser Suche nach einem 81er-Tank beschloss ich den 79er-Tank Pulverbeschichten zu lassen, was mir im Nachhinein recht gut gefällt. Jetzt musste noch der originale Motorschutz einem wesentlich schlankeren Eigenbau aus poliertem Alu-Blech Platz machen. Nach all diesen Arbeiten war es dann soweit: Der Motor sollte nach über einem Jahr wieder zum Leben erweckt werden. Es war schon ein spannender Augenblick. Springt er an oder nicht? Also – das bekannte Prozedere – und er sprang sofort an und blubberte vor sich hin. Jetzt fehlte nur noch der Segen vom TÜV in Form einer neuen Plakette (der Termin für die HU wäre im Mai des letzten Jahres gewesen). So folgte noch ein spannender Teil: Was sagt die Obrigkeit zu meinen Änderungen? Ich ließ mir einen Termin für die Prüfung geben, lieh mir einen Anhänger samt Zugfahrzeug, verlud die XT und fuhr zur Dekra. Der Mann im grünen Kittel war begeistert: „Die sieht ja aus wie aus’m Laden.„ (O-Ton), prüfte die üblichen Punkte und befand auch meine Veränderungen und Umbauten als gesetzeskonform. Mir fiel der berühmte Stein vom Herzen, ich verlud die XT wieder auf den Anhänger und fuhr vom Hof. Die Mühe hatte sich gelohnt!