aus bma 11/07

von Undine Westphal

Yamaha XV 535 ViragoDie motorradfahrende Menschheit teilt sich meines Erachtens in zwei Gruppen auf. Die erste Gruppe umfasst die Chopperfahrer, die zweite Gruppe die Chopperhasser. Warum das so ist, weiß keiner so genau. Ich gehöre auf jeden Fall zu denen, die sie lieben.
Meine erste Maschine war eine Honda CX 500, auch Güllepumpe genannt. Die nächste Maschine eine KLE (sehr gewöhnungsbedürftig), aber immerhin bei minus 5 Grad von Hamburg nach Sylt gefahren. Danach war es eine BMW GS 80, ab und zu durfte ich auch auf der K 100 fahren, und sogar auf einer Harley Fat Boy (absolut geiles Teil, leider viel zu groß).
Entweder waren die Maschinen zu groß und schwer, sie ließen sich zu schwer aufbocken, oder ich kam mit den Füßen kaum auf den Boden, vom Schieben ganz zu schweigen. Die Honda ließ sich sehr schwer starten oder eher gar nicht. Irgendwann, als ich es mal richtig eilig hatte, und die Maschine natürlich wieder nicht ansprang, hatte ich versucht, sie anzuschieben. Wie nicht anders zu erwarten, hat dieser Versuch fast im Graben geendet – die Maschine lag auf der Seite. Ich konnte sie nur wieder aufheben, weil ich tierisch wütend war. Also hatte ich mal das echte Bedürfnis nach einem Motorrad, das wirklich zu mir passt.

 

Die Virago ist das erste Motorrad auf dem ich mich pudelwohl fühle. Ich bin 1,74 m, das passt perfekt. Mein Mann mit seinen 1,84 m sieht allerdings absolut albern auf ihr aus (wer fährt schon gerne mit den Knien an den Ohren?), außerdem braucht er die Maschine nur anzusehen und bekommt Rückenschmerzen. Ist mir völlig schleierhaft. Ich habe noch nirgendwo so gut gesessen wie auf der Virago. Selbst Langstrecken z. b. 700 km Nonstop, wenn man mal vom Tanken absieht, sind auf ihr locker zu machen, ohne sich bleibende Haltungsschäden einzufangen. Der einzige Makel ist der zu kleine Tank. Ich habe schon ernsthaft überlegt einen Ersatzkanister mitzunehmen. Mehr als 180 km maximal sind mit einer Tankfüllung nicht drin. Es ist halt ein gemütliches Motorrad, zum Rasen ungeeignet. Allerdings hervorragend zum Kurven fahren (bei den Fußrasten ist Schluss). Selbst meine Töchter fahren lieber bei mir mit als auf Papas K 1100.
Seitdem die Mühle Packtaschen hat, ist auch das Transportieren von diversen Kleinigkeiten kein Problem mehr.
Ich bin ein Mensch, der ständig irgendwas von A nach B transportiert. Nach Frankfurt musste eine selbstgebastelte Schultüte mit, die natürlich heil angekommen ist. Und weil der Hund einer Tante in Schneverdingen so gerne Gießkannen frisst, mussten die halt auch mal mit hinten drauf.
Yamaha XV 535 ViragoIrgendwann war auch eine Frontscheibe fällig. Seitdem sitzt der Kopf auch wieder etwas fester. Sonst ruckelt es halt doch ein bisschen, vor allem, wenn man mit mehr als 140 Sachen auf der Autobahn unterwegs ist. Traumhaft ist die Tatsache, dass die Virago jedesmal auf Schlag anspringt, ohne betteln und beten oder drohen. Bei Hamburger Schietwetter fährt sie sich auch gut. Stabil und sicher ist der Gesamteindruck. Beim Bremsen am besten mit viel Gefühl arbeiten, sonst sind sie ein wenig giftig. Andernfalls erntet man eckige Reifen.
Der tiefe Schwerpunkt der Maschine ist ein Traum. Da wird das Schieben zur Leidenschaft, selbst rückwärts in fiese, enge Garagen. Durch den nicht vorhandenen Hauptständer entfällt das Aufbocken. Der Seitenständer ist lang, stabil und verlässlich. Immer äußerst lustig, wenn man die ganzen Joghurtbecher mit ihren Stummelständern im Sand versinken sieht. Bisher hat sich die Virago als relativ pannenfrei erwiesen. Im Harz hatte ich mir eine Schraube ins Hinterrad gefahren. Es war sicherlich die einzige Schraube, die dort zu finden war, und ich habe sie gefunden. Da wir gerade in einer Kurve bergauf fuhren und relativ wenig Geschwindigkeit drauf hatten, ist außer dem Voll-Platten hinten nichts weiter passiert. Fühlte sich fies an, war aber gut zu händeln. Mit mehr Geschwindigkeit und Gewicht hätten wir wohl alt ausgesehen.
Die zweite Panne war ein unten ausgehakter Kupplungszug. Auch das ließ sich relativ leicht beheben, allerdings sollte man die Maschine vorher abkühlen lassen, sonst gibt es fiese Brandblasen. Ach ja, einmal habe ich sie doch umgeschmissen. Dabei hat sich der linke Außenspiegel verabschiedet. Reine Blödheit! Das war das Problem mit den vollgestellten Garagen. Rucksack auf dem Rücken, mit dem Riemen am Fahrrad hängen geblieben, leider das Motorrad schon in der Hand gehabt, und schon war es passiert. Ärgerlich und absolut überflüssig.
Aber das Sympathische an der Virago sind unter anderem auch die zivilen Ersatzteilpreise. Der neue Schlauch fürs Hinterrad hat mich 20 Euro inklusive Einbau gekostet, der neue Außenspiegel 17 Euro und gerade neulich die neuen Reifen hinten und vorne 150 Euro.
Die Virago hat fünf Gänge, die sich alle wunderbar schalten lassen. Getankt wird Benzin bleifrei, der Verbrauch liegt bei ca. 6 Litern auf 100 km. Sehr schön ist auch der Verzicht auf sämtlichen überflüssigen elektronischen Schnickschnack. So kann Mann oder Frau auch wirklich selbst schrauben.
Das Leergewicht liegt bei 198 kg und die Höchstgeschwindigkeit bei 160 km/h. Wer Spaß hat am Putzen ist mit der Maschine bestens bedient, dank des vielen Chroms. Im Zweifelsfall S100 auftragen, mit der Bürste abschrubben, abspülen – fertig (geht schneller als Haare machen).
Vielleicht ist die Virago ja doch ein Frauenmotorrad, und wenn schon – ich finde sie klasse.