aus bma 06/96
von Marcus Lacroix
Ihr seid 16 Jahre alt und meint, der Spaß im Leben beginnt erst mit 18, wenn Ihr endlich Euren Einser machen dürft? Falsch! Vielleicht seid Ihr auch schon über 18 und meint, Ihr müßtet unbedingt mit dem Auto in die Stadt fahren, weil es ja ach so bequem ist? Genauso falsch! Der Spaß auf zwei Rädern beginnt schon mit dem Führerschein Klasse 4 und das Auto in der Stadt mutiert eh langsam zum Dinosaurier. Ich weiß es, denn ich durfte die neuen 50er Yamaha Roller fahren, die beim Delmenhorster Yamaha-Vertragshändler Natuschke & Lange im Laden stehen. „YA 50 D Axis” & „BW’s Next Generation” nennen sich die Spaßgeräte, die unter dem eigentlich langweiligen Oberbegriff Motorroller gehandelt werden. Das englische Wort „Scooter” sagt zwar das gleiche aus, klingt aber viel besser. Und mit diesen Scootern haben wir uns neulich ausgetobt. Da ist zunächst einmal der Axis, der mit seiner dunkelgrünen Lackierung äußerst elegant wirkt. „Spanish Dark Green Cocktail 1” nennt Yamaha diese Farbgebung dementsprechend abgehoben. Aber was soll’s, schließlich braucht jedes Ding seinen Namen. Der Hintern macht es sich auf der Sitzbank bequem, ich drehe den Schlüssel im kombinierten Zünd-/Lenkschloß auf ON, die Anzeigenleuchte für den Ölstand im Vorratsbehälter des Zweitaktöls leuchtet zur Kontrolle kurz auf, ich drücke auf den E-Starter-Knopf und……nichts passiert.
Da steh’ ich nun und kratze mich etwas hilflos am Helm. Glücklicherweise komme ich von selbst darauf, daß man beim Starten eine der beiden Handbremsen ziehen muß. Dies dient der Sicherheit, denn schließlich kann man bei einem Automatikgetriebe nicht den Gang rausnehmen.
Ein leises Zittern geht durch den Scooter und ich bin mir danach nicht so ganz sicher, ob der Motor denn nun läuft. Aber doch; ganz leise atmet das 49 ccm Zweitakt-Motörchen durch den dicken Auspufftopf mit dem ungeregelten Katalysator aus. Ein leichter Dreh am Gasgriff, die Automatik stellt den Kraftschluß zum Hinterrad her und langsam setzt sich der nur 79 Kilogramm leichte Motorroller in Bewegung. Meine Füße landen sofort auf dem Trittbrett und ich eiere der Straße entgegen. Zugegeben, an einen Roller muß man sich als Motorradfahrer erst einmal gewöhnen, denn konstruktionsbedingt fühlen sich Scooter im direkten Vergleich allesamt etwas kippelig an. Hat man sich erst einmal daran gewöhnt, nennt man es handlich und verblüfft damit die anderen Verkehrsteilnehmer.
Ich fädle mich in den laufenden Verkehr ein, ärgere mich über die nicht vorhandene Blinkerkontrolleuchte und drehe den Gasgriff auf Anschlag. Tja Leute, jetzt geht die Post ab! Der kleine Motor blubbert nicht mehr leise vor sich hin, sondern schreit sich die Anstrengung gleich einem Karatekämpfer beim Steinespalten aus der Lunge. Ok, ok, es bleibt wohl nach wie vor alles im legalen Rahmen, aber interessant ist der Sound dennoch. Bemerkenswert schnell erreicht die Tachonadel die 60 km/h-Markierung, genug, um im Ortsverkehr jederzeit mitzuhalten. Der Einzylindermotor fühlt sich dabei leicht unterfordert an und er könnte gewiß mehr als nur vier Pferdestärken, die bei 6.500 U/min anliegen, produzieren. Der Gesetzgeber schiebt den 50ern aber leider bei 50 km/h einen Riegel vor. Durch die kurze Übersetzung wird dieses Limit vom Axis allerdings so zügig erreicht, daß ich schnell zum Ampelkönig von Delmenhorst mutiere.
Einer frechen Fahrweise sind auch die Bremsen zuträglich. Die hydraulisch betätigte 155 mm-Scheibenbremse vorn, sowie die über einen Seilzug betätigte 110 mm-Trommelbremse hinten haben mit dem Axis ein leichtes Spiel. Interessant ist, daß beim Roller im Gegensatz zum Motorrad die Hauptbremsleistung mit der Hinterradbremse erzielt wird. Kein Gas – Vollgas, voll in die Bremsen und wieder Gas. Rollerfahren macht Spaß!
Getrübt wird der Spaß erst, als ich eine schlechte Straße unter die zehn Zoll kleinen Räder bekomme. Schlaglochsuchgerät – jetzt weiß ich endlich wie Motorroller zu ihrem Spitznamen kommen. Während der Stahlrohrrahmen sich als wirklich stabil erwies, waren die Telegabel und das Monofederbein total überfordert. Nur die bequeme Sitzbank machte die Hoppelei auf dem Asphaltpatchwork erträglich. Es ist schon ärgerlich, daß man mit einem „Fünfziger” nicht die Kraftfahrstraßen benutzen darf. Manch ein Umweg im Stadtgebiet könnte dadurch vermieden werden. Doch auch hier besteht Hoffnung auf Besserung. Angeblich dürfen Roller- bzw. 50er-Fahrer in Köln bereits die großen Ausfallstraßen benutzen. Durch ihre bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit ist das normalerweise nicht möglich. Eine gute Alternative zum Auto ist der Scooter im stadtnahen Bereich trotzdem allemal. Parkplatzprobleme gibt es nicht, Staus stellen kein unüberwindbares Hindernis dar, der Helm verschwindet in dem großen Stauraum unter der Sitzbank, Handschuhe und Schal im Handschuhfach. Und wenn es sein muß kann man den Spaß sogar zu zweit genießen. Bei einem Preis von nur 3.390 DM für den Axis werden sich allerdings wohl kaum viele Rollerfahrgemeinschaften finden. Die Jahresversicherungsprämie inklusive Diebstahlversicherung beträgt übrigens nur schlappe 120 DM.
600 DM höher liegt der Anschaffungspreis für den „BW’s Next Generation”. Der Scooter für 3.990 DM bietet bis auf wenige Ausnahmen nichts, was nicht auch der Axis bietet. ABER, (ja, das großgeschriebene) er sieht einfach cool aus. Er will auffallen, unvernünftig sein. Kein Mensch braucht wirklich Doppelscheinwerfer und dicke Breitreifen. Aber was soll’s, Spaß muß sein.
Der höhere Preis wird allerdings nicht nur durch die scharfe Optik gerechtfertigt. Satte 0,6 PS mehr leistet der Motor im BW’s.
Es sind aber nicht nur die Fahrleistungen, die auffallen. Der BW’s fühlt sich einfach besser an, das Fahrwerk ist besser, sozusagen sportlich straff, abgestimmt. Ein Gepäckträger ermöglicht die Montage eines Topcases und der Blinker hat eine akustische Kontrolle.
Anstelle des kleinen Handschuhfachs hat der BW’s einen praktischen Haken, an den man eine Einkaufstasche hängen kann. Nachteilig bemerkbar macht sich die im Vergleich zum Axis erheblich eingeschränkte Beinfreiheit. Etwas sehr bunt geraten ist der Tacho. Er erinnert eher an ein Graffiti der „Next Generation”, das irgendeine Wand verun-ziert, aber das ist ja wohl so beabsichtigt. Neben der Ölstandskontrolleuchte befindet sich die Fernlichtkontrolle, eine Funktion, die dem Axis gänzlich fehlt.
Der Öltank der Getrenntschmierung ist beim BW’s besser zugänglich. Beiden Scootern gemein ist die Sprit-Anzeige. Die Tanks fassen je sechs Liter Normal-Bleifrei. Der Spritverbrauch hängt natürlich stark von der Fahrweise ab. Wir kamen schon auf drei Liter je 100 km. Die Betriebskosten halten sich also insgesamt in einem überschaubaren Rahmen.
Die serienmäßige Ausstattung der beiden Scooter reicht im Alltag allemal aus. E- und Kickstarter gehören wie auch die 12 Volt-Lichtanlage und der ungeregelte Katalysator zur Serienausstattung. Eine Zeituhr wäre allerdings praktisch .Auch sollte man sich in den Axis das Blinkrelais des BW’s setzten lassen, da man sonst aufgrund der fehlenden Kontrolle zu oft mit eingeschaltetem Blinker durch die Gegend fährt.
Ich kann allen ungeduldigen Kids und allen genervten Autofahrern nur empfehlen, mal beim Yamaha-Händler reinzuschauen, um einen Termin für eine Probefahrt zu vereinbaren. Der Spaß ist garantiert und vielleicht bekommt der eine oder andere ja eine neue Sicht der Dinge.
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